AAEL-Praxis-Transfer für die AAEL-Reise
Transfer des Rahmenwerks AAEL auf die Praxis von (Hochschul-)Bildung in der Post-Digitalität
In diesem Kapitel liegt der Schwerpunkt auf dem Transfer, der das AAEL-Rahmenwerk (Ambidextrous Agile Educational Leadership) für die Praxis von Hochschulbildung anwendbar machen möchte. Der verkürzte Begriff „AAEL-Praxis-Transfer“ erschließt dabei das gesamte Feld der Praxis und Praktiken, das sich aus der Anwendung und Integration dieses konzeptionellen Ansatzes ins Feld der (Hochschul-)Bildung in der Post-Digitalität ergibt.
Mit AAEL-Praxis-Transfer – zusätzlich zum gesonderten AAEL-PlayBook – ist hier eine Darstellungsweise gemeint und beabsichtigt, die die konzeptionellen Aspekte des Rahmenwerks AAEL in verwend- und handhabbare Elemente für einen besseren Zugang und mehr Verständlichkeit überführt. Dazu gehören Visualisierungen sowie Erläuterungen von AAEL-Werten und AAEL-Prinzipien mit praxisnahen Erklärungen.
Das AAEL-Praxis-Transfer-Kapitel ist in drei Teile untergliedert:
- Teil I beleuchtet die Praxis von Hochschulbildung und beschreibt eine Werteorientierung von AAEL im Doing und Being. Hier werden zudem alle Elemente des AAEL-Rahmenwerks als zentrale Bezugspunkte einmal im Überblick benannt und strukturell-visuell zusammengeführt, um sie für die Praxis der AAEL-Reise greifbarer zu machen.
- Teil II wechselt nach der strukturierten Darstellung entlang möglicher inhaltlicher Auseinandersetzungen im Rahmen der visualisierten AAEL-Bausteine auf die Prozessebene. Als Rahmen für eine AAEL-Reise werden nach den AAEL-Werten hier die AAEL-Prinzipien, die für ein AAEL-Being und -Doing in der individuellen und gemeinsamen Umsetzung von AAEL wesentlich sind, ausführlicher eingeführt und erläutert.
- Teil III beschreibt mit der Learning University (im Folgenden kurz LU genannt) ein fiktives Beispielszenario. Es dient für eine nachfolgende praxisnahe Illustration möglicher Aktivitäten im Entwicklungsprozess mit AAEL – und als Begleiter durch die einzelnen Bausteine eines eigenständigen AAEL-PlayBooks, das im Transfer beschriebenen Punkte aufnimmt und integriert.
Teil I
Werteorientierung – und auch ein Stück Demokratie im Kleinen
Als zentrale Bezugspunkte stellt dieser erste Teil zum einen das Verständnis einer Praxis von (Hochschul-)Bildung mit ihren etablierten wie neu entstehenden Praktiken vor, zum anderen den Bezug zum AAEL-Being und AAEL-Doing. Anschließend werden AAEL-Werte und AAEL-Prinzipien eingehend beschrieben und eingeordnet. Darüber hinaus wird eine Gesamtübersicht zum AAEL-Rahmen in Form einer Visualisierung vorgestellt. All dies bildet die Grundlage für die im weiteren Verlauf vorgestellten Ideen, wie sich das AAEL-Rahmenwerk in die Praxis von Hochschulbildung (oder in andere Bildungsbereiche) übersetzen lässt.
1 Praxis von (Hochschul-)Bildung
In diesem Kapitel wird Hochschulbildung als exemplarisches Feld genommen, um den Transfer des AAEL-Rahmenwerks zu veranschaulichen. Grundsätzlich kann AAEL aber ebenso gut in frühkindlichen, schulischen oder beruflichen Bildungssettings sowie in der Erwachsenen- und Weiterbildung zur Anwendung kommen.
Ziel von AAEL bzw. der Umsetzung spezifischer AAEL-Praktiken ist es, die Hochschulbildungs-Praxis – ein komplexes Gefüge aus Routinen, Interaktionen und institutionellen Strukturen – systemisch zu betrachten und in diesem Kontext bewusst mit dem Ganzen im Blick zu agieren. So wird deutlich, dass AAEL als umfassendes Praxisverständnis gesehen wird, in dem das theoretische Rahmenwerk mit seinen Konzepten und die daraus ableitbaren Handlungsweisen (AAEL-Praktiken) sowie die konkrete Praxis selbst sich wechselseitig durchdringen und justieren.
AAEL kann dabei helfen, veränderte und neu entstehende Muster, Haltungen, Abläufe und Strukturen in der Praxis der Hochschulbildung aufzubauen oder zu stärken und damit nachhaltig zu prägen. Dabei geht es nicht darum, vereinzelte Methoden oder Tools zu etablieren. Vielmehr bietet AAEL eine Orientierung, wie etwa (exzellente) Lehre, Forschung, Transfer und gesellschaftliche Verantwortung (Third Mission) sowie weitere Anforderung an Hochschulbildung in den vorzufindenen Organisationsstrukturen unter der Perspektive von Leadership in der Post-Digitalität neu miteinander gedacht (Transformation) und in inkrementellen Schritten (Transition) weiterentwickelt werden können. Es steht also weiterhin im Vordergrund, Hochschulbildung gemeinsam besser zukunftsfähig zu machen – mit AAEL und nicht um ihrer selbst willen.
Herausforderungen wie zum Beispiel die digitale Transformation können entlang existierende Routinen und Kommunikationsmuster im Hinblick auf Post-Digitalität reflektiert, angepasst oder neugestaltet und so nachhaltig ausgerichtet werden. Ebenso lassen sich über Aspekte wie Transparenz, Zugänglichkeit, Verantwortung und Teilhabe mit Blick auf zukünftige Generationen gut Bezüge zu ähnlich ausgerichteten Bildungspraktiken herstellen – beispielsweise solche für nachhaltige Entwicklung (BNE) oder Offene Bildungspraktiken (Open Educational Practices – OEP).
Eine AAEL-Praxis mit ihren spezifischen Praktiken entwickelt sich emergent im Zusammenspiel von AAEL-Doing und AAEL-Being. Dieses Zusammenspiel lässt sich kaum starr festschreiben, da sich ein Doing im Handeln durch individuelle und gemeinsame Praktiken sowie Methodiken ausformt, während sich ein Being in persönlichen Reflexions- und erfahrungsbasierten Wachstumsprozessen (weiter)entwickelt. Ob AAEL-Doing erst gelingen kann, wenn bereits ein gewisses AAEL-Being vorliegt, oder ob umgekehrt das Doing das Being fördert, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Wahrscheinlicher ist, dass beides parallel entsteht und sich wechselseitig beeinflusst. In beiden Fällen stützen sich Doing und Being auf Werte und Prinzipien, die ihnen Richtung verleihen.
Bevor es also intensiver um konkrete Aspekte einer AAEL-Praxis geht, führt der nächste Schritt noch einmal zu den Werten des AAEL-Rahmens. Sie entstehen und verändern sich durch partizipative Aushandlung innerhalb einer demokratischen Gestaltungskultur.
2 Werte im AAEL-Rahmen: Demokratie im Kleinen stärken
AAEL ist als primär werte- und prinzipienbasiertes Rahmenwerk zu verstehen. Die Grundidee eines Handlungsrahmens, der über spezifische Werte und Prinzipien hinweg aufgespannt wird, wurde aus dem Kontext Agilität1 für das Feld der (Hochschul-)Bildung mit dem AAEL-Rahmen adaptiert. Akteur_innen im Feld können entlang dieses Rahmens individuell wie auch gemeinsam abgestimmt selbstständig entscheiden und werteorientiert handeln, um in komplexen Situationen, wie sie im (Hochschul-)Bildungsbereich alltäglich sind, passend gerecht werden zu können.
Es geht im AAEL darum, für bessere Bildung als Basis und Ziel demokratischen Zusammenlebens und partizipativen Miteinanders Verantwortung zu übernehmen. Bildung wird hier durch Übernahme von Leadership im eigenen Handlungsbereich stetig und gegenwärtig Schritt für Schritt mitgestaltet. Dabei werden strukturelle wie personale Aspekte gleichermaßen angegangen und kulturelle Entwicklungen und Kontextbedingungen mit einbezogen, um eine partizipative, resiliente und innovative (Hochschul-)Bildung nachhaltig und für alle im Sinne diverser Akteur_innen zu ermöglichen und werteorientiert zu (ver-)stärken. Der AAEL-Rahmen steht damit für eine demokratische Grundüberzeugung.
Werte im AAEL-Rahmen zu benennen ist zweischneidig. Denn sie ergeben nur als von allen Akteur_innen akzeptierte, geteilte Werte als Basis für den Handlungsprozess Sinn und stärken Vertrauen zueinander. Und zugleich können sie nicht einfach allen verordnet werden. Es geht im AAEL-Rahmen also auch darum, für eine gegenseitige Ermöglichung tatsächlicher Partizipation, Bereitschaft zur Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme in einem vertrauensvollen Rahmen zu werben und tradierte Strukturen machtkritisch zu hinterfragen.
Es bleibt also die Aufgabe, Werte von Beginn an als Ergebnis von Verständigung und wertschätzender Aushandlung zu begreifen. Mit Blick auf Agilität lässt sich folgern, dass ein Konsent als demokratische Mitbestimmungsform über die gemeinsame Wertebasis bereits eine tragfähige und sinnvolle Zusammenarbeit ermöglichen kann. AAEL-Werte sind also in ihrer jeweiligen Form immer nochmals Gegenstand von (machtkritischen) Verhandlungen in den jeweiligen (Bildungs-)Bereichen.
Im nächsten Abschnitt folgen nun die AAEL-Werte selbst: Sie knüpfen an dieses Grundverständnis von demokratischer Aushandlung an und sind zugleich der Anker, an dem sich die AAEL-Prinzipien ausrichten.
Aus diesem Grund werden im AAEL-Rahmen Vertrauen und Verantwortung als zentrale Werte betrachtet und herausgehoben:
Vertrauen
…weil im Vertrauen die Basis für eine gelingende Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung liegt und die Beziehungen und (psychologische) Sicherheit stärkt. Vertrauen zueinander und untereinander – sowie in formale, strukturelle, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen – steckt als Bedingung und Folge in allen anderen Werten. Denn Vertrauen lässt sich nicht verordnen, man erwirbt es in der verantwortungsvollen Zusammenarbeit miteinander, verstärkt es und kann es genauso wieder verlieren.
Verantwortung
…weil das Übernehmen und Abgeben Können und Wollen von Verantwortung für partizipative (Lern-)Prozesse auf allen Ebenen, gemeinschaftliche Arbeitszusammenhänge und für funktionierende Selbstorganisation in Gruppen, Teams und Organisationen grundlegend ist. Verantwortung bedeutet auch das langfristige Engagement für nachhaltige Bildungsprozesse und die Bereitschaft, die Auswirkungen des eigenen Handelns in der Bildung in der Post-Digitalität kritisch zu reflektieren.
Ebenso relevante Werte als Basis für ein AAEL und seine Prinzipien als zukunftsorientiertes Leadership im Bildungsbereich im Bezugsrahmen von Agilität und Ambidextrie sind die Folgenden:
Mut
…weil AAEL dazu einlädt mutig zu sein und sich darauf einzulassen mit Blick auf eine ungewisse Zukunft im Handeln Risiken einzugehen und Veränderungen als langfristigen Prozess trotz Ungewissheiten proaktiv anzugehen. Mut umfasst auch die Bereitschaft, zügiges Erproben und Fehler als Lernchancen zu sehen und ein Umfeld zu schaffen, in dem innovative Ideen getestet und Risiken eingegangen werden können. AAEL unterstützt die Bereitschaft zur Innovation und zur Bewältigung von Unsicherheiten in komplexen Situationen.
Offenheit
…weil AAEL von persönlicher Offenheit und offenen Strukturen lebt und der Bereitschaft zur Transparenz und einem freien Austausch von Materialien, Informationen und Ideen im weiteren Sinne einer Open Educational Practice (OEP). Offenheit bedeutet auch, kontinuierlich neue Erkenntnisse und technologische Entwicklungen zu integrieren und sich persönlich ebenso wie die (Hochschul-) Bildung ständig weiterzuentwickeln und somit flexibel auf neue Herausforderungen und Chancen zu reagieren.
Respekt
…weil es in einem AAEL darum geht Respekt gegenüber den Menschen zu haben und in der Zusammenarbeit die Beiträge und Perspektiven aller Beteiligten anzuerkennen und wertzuschätzen – und mit Respekt gegenüber der Person Feedback zu geben. Respekt bedeutet insofern, mit allen Akteur_innen und Perspektiven auf Augenhöhe zu interagieren und sicherzustellen, dass alle Stimmen gehört und wertgeschätzt werden.
Diversität
…weil AAEL bewusst die Möglichkeiten jenseits von Dualitäten im Dazwischen und Außerhalb sucht und der Rahmen mit Blick auf Diversität in der Bildung in der Post-Digitalität entsprechend diklusive und inklusive Perspektiven und Hintergründe integriert, um eine passende zukunftsfähige Bildung für alle zu gestalten. Diversität ist somit ein kontinuierlicher rahmender Prozess, der aktiv gepflegt und gefördert werden muss, um ein inklusives Umfeld zu schaffen.
Feedback
…weil konstruktives Feedback schnelles Lernen im Sinne von Outcome mit Blick auf die Erreichung des Ziels motiviert und persönliches Wachstum innerhalb der Organisation fördert. Feedback ist sowohl in formativem als auch in summativem Sinne wichtig, um kontinuierliches Lernen und die Erreichung von Zielen zu fördern.
Engagement
…weil der AAEL-Rahmen vor allem auf die Bereitschaft und (Selbst-)Verpflichtung zur Erreichung gemeinsamer Ziele angewiesen ist, um Bildung durch schnelles Feedback kontinuierlich zu verbessern. Engagement erfordert eine Balance zwischen individueller Verantwortung und kollektiver Verpflichtung zur iterativen Erreichung gemeinsamer Ziele. Für Ziele wie Prozessgestaltung braucht es ein verlässliches Commitment.
Fokus
…weil in der Komplexität von Bildung Fokus und die Konzentration auf die jeweils nächste Aufgabe wichtig ist. Fokus bedeutet insofern, klare Ziele und Zwischenziele zu setzen und diese konsequent zu verfolgen und beim zielgerichteten Gehen der nächsten Schritte motiviert wie auch effizient und effektiv bleiben zu können.
Kommunikation
…weil Kommunikation besonders in der Post-Digitalität in allen ihren Formen verbaler, wie auch nonverbaler und digitaler Kommunikation essenziell für die Koordination und den stetigen Austausch zwischen Personen, innerhalb von Teams und Organisationen ist, um Bildung gemeinsam stetig besser zu machen.
AAEL-Werte praxisnah betrachtet
Im Folgenden gibt es dazu einige ergänzende Überlegungen, wie sich die genannten AAEL-Werte praxisnah realisieren lassen:
Gemeinsam statt verordnet: Basis ständiger Aushandlung
Ein zentraler Punkt ist die Einsicht, dass Werte nur dann wirksam werden können, wenn sie von allen beteiligten Akteur_innen getragen werden. Diese Werte bilden ein erstes stimmiges Fundament für eine AAEL-Logik, die Agilität und Ambidextrie so miteinander kombiniert, dass mit ihr individuelle und organisationale Lernprozesse stetig weiterentwickelt werden können. Sie werden sich mit der Zeit weiter entwickeln oder ausdifferenzieren und sind realistisch betrachtet vermutlich immer vollständig unter einen Hut zu bringen. Doch für den gemeinsamen Start bilden sie einen Zielraum und einen Anker zur Reflexion der Kommunikation für geteilte Ziele und eine Mission. Werte schaffen auch eine unmittelbare Verbindung zur Idee eines agilen Mindsets: Das „Being“ im AAEL-Kontext bedeutet, Werte und Prinzipien miteinander so zu reflektieren und auszuhandeln, dass sie einen tragfähigen Orientierungsrahmen für das Handeln bei komplexen Problemstellungen bieten.
Wechselwirkung von Person und Organisation
Gerade in Bildungsbereichen, in denen traditionelle Machtstrukturen bestehen (z.B. hierarchische Verteilung von Entscheidungsbefugnissen), kann das „Sowohl-als-auch“ von Stabilität und Innovation nur funktionieren, wenn Akteur_innen auf allen Ebenen ihre Rolle reflektieren und mitgestalten dürfen. Werte wie Verantwortung und Vertrauen wirken hier auf personaler und organisationaler Ebene zugleich. Wenn Personen mit traditionellen Leitungsrollen und ‑funktionen (z.B. Lehrende, Dekanate, Präsidien) Verantwortung bewusst und transparent (mit-)teilen, wächst das Vertrauen innerhalb des Systems.
Wechselwirkung von Person und Organisation
Ambidextrie als organisationale und personale Fähigkeit, zwischen Verbesserung des Bestehenden und Erkundung völlig neuer Ansätze zu wechseln erfordert kontinuierliche Innovationsbereitschaft. Mut und Offenheit sind die hierfür erforderlichen persönlichen „Haltungen“. Wo Offenheit als gemeinschaftliches Prinzip gilt, entsteht Raum, um mutig neue Wege zu gehen und Fehlversuche als lernfördernde Erfahrungen zu begreifen und zu einer gemeinschaftlichen Lernkultur zu kommen.
Respekt und Diversität in selbstorganisierten Teams
Gerade wenn Teams unterschiedlicher Formen (Kernteams bis temporäre Teamkonstellationen oder ad-hoc-Teams) in AAEL-Kontexten weitgehend selbstorganisiert arbeiten, bilden Respekt und Diversität wesentliche Faktoren für psychologische Sicherheit. Für alle jeweils mit ihren Kompetenzen beteiligten Persönlichkeiten entsteht gleichermaßen ein Entwicklungsraum, in dem unterschiedliche Perspektiven nicht nur geduldet, sondern gezielt eingebunden werden. Das befördert ein Spektrum an Ideen und Handlungsoptionen und bietet Möglichkeiten der Perspektivenübernahme und ‑vielfalt, das besonders in noch ungewissen Szenarien für Bildung in der Post-Digitalität unabdingbar ist.
Feedback und Engagement als Motor für kontinuierliches Lernen
An agilen Arbeitsweisen fasziniert oft, wie dynamisch und selbstverständlich Feedback eingearbeitet werden kann, ohne dass Beteiligte Angst vor Fehlern haben müssen. Das klappt nur, wenn alle – von der Einzelperson über Teams bis hin zur Gesamtorganisation – bereit sind, konstruktives Feedback als Chance zu begreifen. Diese Lernkultur setzt Engagement und Verantwortungsbewusstsein voraus, um sich gegenseitig Rückmeldungen geben zu wollen und zu können.
Fokus und Kommunikation in hochkomplexen Veränderungsprozessen
Bildung in der Post-Digitalität ist hochkomplex: Es sind unzählige parallele Faktoren und bekannte wie mitunter ungewisse Anforderungen zu berücksichtigen. Deshalb spielt Fokus in AAEL-Sinn nicht nur auf methodischer Ebene (z.B. Fokussierung auf Prioritäten in Sprints oder auf den nächsten vereinbarten Schritt), sondern insbesondere auf Haltungs- und Organisationsebene eine Rolle. Ebenso ist klare und offene Kommunikation essenziell, um Ziele, Rollen und Zwischenstände transparent zu halten.
Werte als lebendiger Rahmen für AAEL
Wenn wir AAEL als einen Handlungs- und Gestaltungsrahmen für zukunftsfähige (Hochschul-)Bildung begreifen, wird ebenso klar: Die hier aufgeführten Werte helfen nicht nur, den Handlungsraum zu strukturieren, sondern laden zugleich ein, eine lebendige Lern- und Kulturpraxis gemeinsam zu ermöglichen. Werte können einerseits als Kompass dienen und entwickeln sich ebenso in der Interaktion weiter – oder entstehen erst emergent im direkten, reflexiven Miteinander.
Perspektivisch sollen sie mit dafür Sorge tragen, dass Agilität und Ambidextrie nicht bloß als „moderne Schlagwörter“ oder als „neue Methoden“ für den Schein verbleiben, sondern ein Wertegerüst mit echtem Tiefgang werden, das zur eigenen Praxis passt. So entsteht über die Zeit Schritt für Schritt eine werteorientierte AAEL-Praxis und demokratische Prinzipien werden im alltäglichen Miteinander erfahrbar. Denn letztlich zeigt sich Wertorientierung immer dort am deutlichsten, wo sie mit Handeln verknüpft wird und sich ebenso emergent entwickeln kann – ganz im Sinne einer von ambidextren und agilen Verhalten geprägten Lern- und Bildungskultur.
3 AAEL-Elemente im Zusammenspiel visualisiert
Im Folgenden wird entlang der wesentlichen Elemente des AAEL-Rahmenwerks praxisnah erläutert und illustriert, wie AAEL als impulsgebendes Konzept funktionieren und dabei helfen kann, die Hochschulbildungs-Praxis zukunftsorientiert zu gestalten.
Dabei wird in der vorliegenden Variante einer deduktiven Darstellung vom Allgemeinen zum Konkreten gefolgt. Das meint hier: Von der Post-Digitalität als Kontext – über die zentralen namensgebenden Konzepte – bis hin zu einer sich durch AAEL-Doing und AAEL-Being emergent entwickelnden AAEL-Kultur im Zentrum. Diese Sichtweise auf das Modell ist nicht festgelegt und kann je nach Blickwinkel auch anders gelesen werden.
Die nachfolgende Visualisierung bündelt alle zwölf Elemente der aktuellen Version 2.1.1 des AAEL-Rahmenwerks und bildet sie so auf der Hintergrundfolie von Post-Digitalität ab:

Abbildung: Visualisierung zum Rahmenwerk AAEL – Ambidextrous Agile Educational Leadership für die gemeinsame Gestaltung von (Hochschul-)Bildung in der Post-Digitalität, Version 2.1.
AAEL Elemente im Bild eines Baukastens
Die zuvor benannten Elemente lassen sich in ihrem Zusammenspiel auch als tatsächlich solche betrachten: als Elemente zum spielerischen erproben, erkunden und experimentieren.
Und so ist die Visualisierung in Anlehnung an einen Baukasten mit bunten Holzbausteinen oder Bauklötzen (wie vielleicht auch als Tangram-Spiel2 bekannt) entwickelt worden. Genau genommen hat sich diese Visualisierung in einem längeren Prozess des Scribbelns emergent entwickelt.
Und daher hat sich hier in Bezug auf die Elemente ebenso das Bild von Bausteinen ergeben. Ein ‚Baukasten‘ ist hier verstanden als ein rahmender Kasten, in dem sich farbige Einzelbausteine befinden, die den Raum innerhalb dieses Rahmens ausfüllen. Es wurden Bausteine mit Ecken und Kanten und in unterschiedlichen Formen gewählt, die sich zu einem Ganzen zusammenfügen lassen und so miteinander in jedem Fall anschlussfähig sind. Man kann sich hier dreidimensionale, bewegliche Elemente vorstellen.
Zusammen füllen alle Bausteine den AAEL-Rahmen aus. Sie sind als einzelne Elemente vorhanden, die nur zusammen ein Ganzes ergeben und im Zusammenspiel miteinander wirksam werden.
Die gewählten Farben und Formen weisen auf direkte Zusammenhänge oder Alleinstellung hin. Sie werden zur besseren Orientierung vor allem im Transfer für die Praxis im (Hochschul-)Bildungsbereich mit ihren Methoden und Praktiken wieder aufgegriffen.
In der Visualisierung stehen die jeweiligen Bausteine für die thematischen Elemente, die zusammen den AAEL-Rahmen modellieren und füllen. Diese Bausteine sind von außen nach innen betrachtet, wie folgt einzuordnen:
Post-Digitalität
Post-Digitalität bildet in der Visualisierung die Grundfläche der gesamten Grafik und ist als derzeit primäre Herausforderung, sowie als wesentliches Bezugsfeld für Bildung, gedacht. In der Farbgebung erscheint dieses kontextualisierende Element in einem hellen Grauton – eine bewusste Wahl, denn es liegt wie eine Folie hinter den übrigen Bausteinen und kann bildlich als Kasten des Baukastens verstanden werden. Das AAEL-Rahmenwerk ist somit sinnbildlich in der Digitalität3 eingebettet und kontextualisiert.
Post-Digitalität beschreibt dabei einen gegenwärtigen kulturellen Zustand im digitalen Wandel, der nicht nur als technologische Entwicklung begriffen, sondern auch kritisch reflektiert werden muss. Sie ist nicht bloß eine äußere Kontextbedingung für (Hochschul-)Bildung im Rahmen der digitalen Transformation, sondern zugleich eine tiefgreifende gesellschaftliche Dynamik, die Bildung und ihre Praxis durchdringt. Da Post-Digitalität wiederholt als zentrale Kontextbedingung und gesellschaftliche Herausforderung für (Hochschul-)Bildung thematisiert wird, bildet sie die Basis des AAEL-Rahmens – eine Bedingung, die nicht nur als Hintergrund wirksam ist, sondern bereits in den Situationen und Praktiken von AAEL inhärent angelegt ist.
Ambidextrous + Agile + Educational + Leadership
Die namensgebenden konzeptionellen Elemente des AAEL-Rahmens sind Ambidextrous, Agile, Educational und Leadership. Die englischen Begriffe werden bewusst beibehalten, da sie nicht nur die internationale Anschlussfähigkeit an bestehende Diskurse ermöglichen, sondern auch eine breitere inhaltliche Verständnisperspektive eröffnen. Diese vier zentralen Elemente sind in der Visualisierung durch unterschiedlich farbige Rechtecke dargestellt, die zugleich als Einfassung für die inneren Bestandteile des AAEL-Baukastens dienen.
Der Baustein Ambidextrous4 steht für die gleichzeitige Optimierung von Bewährtem und die Erprobung, Entwicklung sowie Entdeckung von Neuem. Er verkörpert eine integrierende und ausbalancierende Perspektive auf Wandel, indem er gezielt eine Sowohl-als-Auch-Haltung einnimmt. In komplexen Strukturen bedeutet dies, souverän zwischen scheinbar gegensätzlichen Polen wie Stabilität und Innovation zu navigieren wie auch Brücken zu bauen – und so eine Handlungsfähigkeit im Dazwischen zu entwickeln. Die Farbe für dieses Element in der Visualisierung ist orange.
Der nächste Baustein Agile5 hebt die Bedeutung einer schrittweisen, lernenden Anpassungsbereitschaft an komplexe, dynamische Kontexte hervor – eine essentielle Fähigkeit insbesondere in der (Hochschul-)Bildung. Agilität und Ambidextrie lassen sich in dieser Logik auf vielfältige Bildungs- und Organisationsbereiche übertragen. Die Farbe für dieses Element in der Visualisierung ist grün.
In diesem Beitrag rückt der Baustein Educational6 den (Hochschul-)Bildungsbereich mit seinen spezifischen Herausforderungen in den Fokus. Dabei geht es nicht nur um Lehre und Lernen, sondern um Bildung im umfassenden Sinne – mit strukturellen, personalen, kulturellen und politischen Dimensionen, die für nachhaltige Bildungsprozesse entscheidend sind. Die Farbe für dieses Element in der Visualisierung ist blau.
Der vierte Baustein Leadership7, bezieht sich auf die Ermöglichung und Übernahme von (Eigen-)Verantwortung innerhalb organisationaler Strukturen und institutioneller Bedingungen in der Bildung. Leadership wird dabei als ein übergreifendes, professionelles Handlungsverständnis gedacht, das sich über verschiedene Rollen und Ebenen hinweg entfaltet. Die Farbe für dieses Element in der Visualisierung ist gelb.
Diese vier konzeptionellen Bausteine – Ambidextrous, Agile, Educational und Leadership – lassen sich transdisziplinär verbinden. Sie umrahmen die weiteren Elemente, die den Entwicklungs- und Handlungsraum (Doing und Being mit Person und Organisation) der Akteur_innen, einschließlich der Prinzipien und Werte sowie der emergenten Entstehung einer spezifischen AAEL-Kultur adressieren.
Personen + Organisation + Being + Doing
Das Zusammenspiel von Personen mit ihrer Persönlichkeit und Haltungen sowie Organisationen mit ihren Regeln, formellen und informellen Strukturen und institutionellen Rahmenbedingungen trifft im AAEL-Rahmen auf die dynamischen Dimensionen von AAEL Doing und AAEL Being. Diese vier Elemente – Person, Being, Organisation und Doing – werden als gleichwertige Dreiecke dargestellt, deren Basen ein inneres Quadrat formen und so die Mitte des Baukastens innerhalb der konzeptionellen Elemente von AAEL umschließen.
Die Farbgebung spiegelt diese Gleichwertigkeit wider: Für alle vier Elemente wurden Purpurtöne gewählt, die sich eine Farbwelt teilen, zugleich aber eine klare Differenzierung der einzelnen Bereiche innerhalb der AAEL-Praxis ermöglichen.
Doing und Being sowie ihr Zusammenspiel mit Person und Organisation sind nicht starr festzuschreiben, sondern entstehen und verändern sich im Handeln – durch Methoden und Praktiken, durch Reflexion und Erfahrung, durch individuelles und gemeinschaftliches Wachstum. In diesem Rahmen stehen sie für eine spezifische Praxis des Handelns und Seins einer Person in und mit der Bildungsorganisation – eingebettet in geteilte Ziele, getragen von einer Vision und immer in Wechselwirkung mit Vergangenheit, Gegenwart und möglichen Zukünften.
Werte + Prinzipien
In der Mitte der Visualisierung stehen spezifische AAEL-Werte und -Prinzipien in Form zweier gleichfarbiger, sich zu einer Raute ergänzenden Dreiecken. Werte und Prinzipien ergeben sich beide aus dem Kontext Post-Digitalität und den konzeptionellen Elementen von AAEL. Beide eint, dass sie im Zusammenspiel von Person(en) und Organisation(en) einschließlich deren Bildungsauftrags entwickelt werden – und, wo nötig, spezifisch zu verhandeln sind, um geteilt werden zu können. Anstelle eines statischen Regelwerks bilden sie im Wechselspiel zwischen Being AAEL und Doing AAEL für alle Akteur_innen situative und kontextabhängige Orientierungspunkte im alltäglichen Handeln in der Komplexität von Bildung. Sie sind daher als Kern innerhalb der Raute platziert und bilden dort wiederum selbst den Rahmen für den letzten, zentralen Baustein. Eigentlich sollten beide Elemente zum Ausdruck ihrer Gleichwertigkeit dieselben Farben haben, doch wird erneut aus Gründen der besseren Unterscheidung der beiden Elemente mit zwei unterschiedlichen gearbeitet.
Kultur
In der Visualisierung befindet sich mit der Kultur ein Quadrat im Zentrum des Baukastens. Im Zusammenspiel der bisher benannten Bausteine kann sich über die Zeit – im Anschluss an die jeweils bestehende Kultur als spezifische Ausgangslage einer Bildungsorganisation – ein neu emergierendes Kulturverständnis im Rahmen von AAEL (kurz AAEL-Kultur) zeigen und weiterentwickeln und kultivieren. Kultur bildet dabei das Zentrum des AAEL-Rahmens, jedoch nicht als starres Gebilde, sondern als dynamischer Möglichkeitsraum, der sich in der Wechselwirkung von Werten, Prinzipien, Doing und Being stetig wandelt. Sie bleibt offen für neue Entwicklungen und Perspektiven, während sie zugleich als Kernelement Orientierung bietet. Als offenes, vernetztes Zentrum steht sie in direktem Austausch mit den umgebenden Elementen und verändert sich durch das Zusammenwirken von Personen, Organisationen und ihren Strukturen kontinuierlich weiter. So bleibt sie durchlässig für neue Impulse, kann Neues aufnehmen und Bewährtes bewahren. Eine AAEL-Kultur kann damit ganz im Sinne einer ambidextren Perspektive als lebendiger, fluider Kern gesehen werden – stabilisierend und zugleich anpassungsfähig, emergent und gestaltbar, verwoben mit den Elementen des Rahmens und in stetiger Entwicklung. Die Farbe hierfür ist – auch mit bewusstem Blick auf Frederic Lalouxs8 Ideen von einer Teal-Organisation – petrol.
Teil II
AAEL im Prozess
Dieser Teil bereitet weiter darauf vor, sich auf eine AAEL-Praxis einzulassen und AAEL für die Hochschulbildungspraxis in der eigenen Organisation Stück für Stück zu integrieren und zu adaptieren (siehe dazu das AAEL-PlayBook).
Für einen guten Prozess werden hier vorweg Spielregeln für den Umgang mit dem AAEL-Rahmen in der eigenen Bildungsorganisation aufgestellt und im Anschluss der Prozess von Veränderung und Wandel mit AAEL für das eigene Ziel und die eigene Idee und Vision von (Hochschul-)Bildung beschrieben. Danach werden unter Rückgriff auf die einzelnen Elemente des Rahmenwerks übergreifende, handlungsleitende AAEL-Prinzipien formuliert und erläutert.
1 AAEL-Spielregeln
Für den AAEL-Rahmen wird auf das Bild eines Baukastens zurückgegriffen und nachfolgende Ausführungen lassen sich entsprechend als eine Art Spielregeln9 für ein potenziell gelingendes Zusammenspiel von den und im Umgang mit den einzelnen Bausteinen und ihr Verhältnis zueinander lesen.
Jeder Baustein zählt!
Trotz Flexibilität und Anpassungsfähigkeit dient jeder Baustein einem bestimmten Zweck und hat seinen Wert im Gefüge des AAEL-Konstrukts, damit AAEL sich als Ganzes stimmig entwickeln kann.
Die oberste Spielregel ist daher, keinen der Bausteine völlig zu ignorieren und sich gleichermaßen bewusst mit allen Perspektiven – jeweils mit unterschiedlicher Gewichtung – systemisch zu beschäftigen. Im Sinne eines Baukastens und ähnlich eines Tangram-Spiels10 gilt es bei jeder „Figur“ oder jeder neuen Iteration sinnbildlich alle Teile miteinander zu verbauen und miteinander zu bedenken.
Den AAEL-Kern nur teilweise anzunehmen oder Bausteine komplett wegzulassen („Cherrypicking“) könnte dazu führen, sich nicht allen in AAEL adressierten Fragen und Themen zu stellen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ein absichtliches Weglassen trägt im Zweifel eher zum Misslingen von AAEL bei.
Gemeinsam gewinnen!
Denn der AAEL-Rahmen ist kein Rezept und keine kleinschrittige Anleitung, die gleichermaßen ‚der‘ eine Weg oder ‚die‘ eine passende Lösung für alle ist und nach Plan abgearbeitet werden kann. Vielmehr bietet der AAEL-Rahmen Bausteine an, die in einem dynamischen Zusammenspiel von Akteur_innen in der jeweiligen Bildungsorganisation mit Blick auf nächste, zukünftige Entwicklungsschritte, ein passendes, stimmiges Ganzes ergeben. Der AAEL-Rahmen setzt immer an dem an, was bereits da ist – bei Organisation(en) und Person(en). Wichtig für AAEL ist gleichermaßen eine personale und organisationale Bereitschaft, sich auf Veränderung in Form eines fortwährenden Lernprozesses oder einer permanenten Lernreise einzulassen. Um im Bild des Baukastens zu bleiben, eine Reise während der durch Erprobung und Feedback alle die Möglichkeit haben und erhalten, die Bausteine immer wieder anzufassen und mit- und umbauen zu können.
Was nicht passt, wird nicht passend gemacht!
Ist eine Verständigung über das Zusammenspiel der Bausteine von AAEL klar nicht möglich, ist es besser für die weitere Entwicklung einen anderen Ansatzpunkt als Weg zu wählen und zu verfolgen. Insofern kann ein begründetes oder absichtliches Weglassen oder Vermeiden von Bausteinen im AAEL bereits ein erster Entwicklungsschritt für einen alternativen Weg sein, einen Umgang mit Wandel und Veränderung für die jeweilige Bildungsorganisation zu finden. Dann passt ein AAEL hierfür nicht.
Diese AAEL-Spielregeln, die zum Start den AAEL-Rahmen initial begleiten, werden sich im Zuge der jeweiligen AAEL-Reise ebenso mit entwickeln.
2 Prinzipien im AAEL-Rahmen – Integrierende Leitlinien für gemeinsames Handeln
Werte und Prinzipien bilden die Referenz für ein AAEL-Being. Die AAEL-Werte prägen die Grundhaltung und Orientierung in einer post-digitalen und hochkomplexen Bildungswelt. Entsprechend spielen sie zugleich in die AAEL-Prinzipien rein und werden dort aufgegriffen, und als Handlungsprinzipien elaboriert. Sie verdeutlichen, wie sich die Werte in praxistaugliche und zugleich flexible Leitlinien integrieren lassen, an denen sich die Beteiligten auf allen Ebenen (Mikro‑, Meso‑, Makro-) sowie ebenenübergreifend orientieren können. Jede Person und jede Organisation kann sie – in Abstimmung auf die eigenen Ziele und Ressourcen – an die eigenen Strukturen und Kulturen anpassen, doch ohne den AAEL-Kern zu verlieren: flexible, wertebasierte und zukunftsorientierte Gestaltung von Bildung.
Bewusst wurde der AAEL-Rahmen als Rahmen konzipiert und nicht als schritt- oder phasenweise Anleitung. Vielmehr stellt der AAEL-Rahmen entlang der konzeptionellen Elemente zentrale Prinzipien auf. Die AAEL-Werte und ‑Prinzipien sollen nun zusammen eine Grundlage für eine kooperative, innovative und nachhaltige Gestaltung von (Hochschul-)Bildung schaffen. Sie zielen auf die Machbarkeit einer Umsetzung von AAEL in der Praxis ab und sind für das gemeinsame Verhalten als weg- und handlungsweisend zu verstehen11. So sind die nachfolgenden AAEL-Prinzipien essenzielle, wertbasierte Leitlinien, die Handlungen und Entscheidungen strukturieren, situativ Flexibilität wie auch Anpassungsfähigkeit fördern und inter- wie transdisziplinär anwendbar sind.
In der Zusammenschau ergeben sich so für die Version 2.1 des AAEL-Rahmens die folgenden Handlungsprinzipien, die nachfolgend weiter erläutert werden:
- Wertebasiertes Agieren für eine zukunftsfähige (Hochschul)-Bildung
- Selbstverständliche Post-Digitalität
- Überbrückung der Dualität von Exploration und Exploitation
- Souveräne Agilität im (Hochschul-)Bildungsbereich
- Gesellschaftliche Verantwortung und Bildungsauftrag
- Integriertes Leadership im (Hochschul-)Bildungsbereich
Wertebasiertes Agieren für eine zukunftsfähige (Hochschul)-Bildung
Das erste Handlungsprinzip im AAEL-Rahmen greift auf die in den vorangegangenen Ausführungen beschriebenen Werte zurück, weshalb die Beschreibung hier knapper gehalten wird: Das Handlungsprinzip des wertebasierten Agierens im Rahmen von AAEL zielt darauf ab, in der Hochschulbildung eine Kultur zu ermöglichen, die durch geteilte Werte und Prinzipien getragen wird. Dies schafft eine vertrauensvolle, respektvolle und innovative Umgebung, die partizipatives Lernen und Selbstorganisation fördert. Durch die Betonung von Verantwortung, Vertrauen, Mut, Offenheit, Respekt, Diversität, Feedback, Engagement, Fokus und Kommunikation wird eine nachhaltige und zukunftsfähige Bildung gemeinsam gestaltend ermöglicht.
Selbstverständliche Post-Digitalität
AAEL passiert selbstverständlich in der digitalen Transformation, die heute als ein bedeutsamer externer Impulsgeber für den Bildungsbereich neben anderen gesellschaftlichen Entwicklungen und Krisen gilt. Der AAEL-Rahmen orientiert sich bereits an einer darüber hinaus gehenden post-digitalen Perspektive auf Bildung, in der Digitalität alltäglich ist.
Dabei bleibt die Perspektive erhalten, dass in dieser Post-Digitalität ein Möglichkeitsraum liegt der jenseits von dafür notwendigen IT-Infrastrakturen auch einen Raum für Interaktion, für Lernen, für Gemeinschaftlichkeit und (Medien-)Bildung schafft, der wiederum ausgefüllt und gestaltet werden kann.
Das Handlungsprinzip der selbstverständlichen Post-Digitalität zielt darauf ab, die Hochschulbildung so zu gestalten, dass sie souverän sowohl im Analogen als auch im Digitalen stattfindet. Und eine solche explizite Differenzierung nicht von Nöten ist, da die Lebens- und Alltagswelt selbstverständlich von Medien durchdrungen ist – und damit auch unsere Kommunikation und Interaktion. Der AAEL-Rahmen geht daher von einer allgegenwärtigen Medialität und einer tiefgreifend mediatisierten Gesellschaft aus. In dieser ist Digitalität als kulturelle Handlungsbedingung für Interaktion und Kommunikation in der digitalen Transformation selbstverständlich integriert. Die post-digitale Perspektive auf (Hochschul-)Bildung erkennt die alltägliche Durchdringung in der Digitalität an und setzt sich dafür ein, eine flexible, resiliente und nachhaltige aber auch kritische Bildungslandschaft zu schaffen, die den Herausforderungen und Bedürfnissen einer demokratischen Gesellschaft entspricht.
Überbrückung der Dualität von Exploration und Exploitation
Dieses Prinzip ist etwas komplexer, weshalb die Einführung hier ausführlicher ausfällt:
Für AAEL im Hochschulbereich sind die organisationale Ambidextrie als kontextuelle Variante und die personale bzw. individuelle Ambidextrie entscheidend12, da sie an bestehende Praktiken und Praxis anschlussfähig sind. Sie beschreiben zugleich die komplexesten Varianten von Ambidextrie. Dies bedeutet, dass Bildungsorganisationen, wie bspw. Hochschulen, ebenso eine Umgebung schaffen wie auch diese mit den Personen zusammen zu gestalten, in der Risikobereitschaft und Kreativität (Exploration) und Effizienz und Optimierung bestehender Prozesse (Exploitation) gleichermaßen wertgeschätzt und gefördert werden. Eine Überbrückung zwischen diesen Dualitäten im Sinne eines Sowohl-Als-Auch bestimmt den Alltag von AAEL, um souverän entscheiden und handeln zu können.
Hierbei sind das Vorhandensein von und der Umgang mit Rollen und Strukturen zentrale Elemente. Auf diese Weise können Akteur_innen in der Komplexität von Bildung in mitunter parallel bestehenden widersprüchlichen Organisationsmodellen klar und transparent entscheiden und Handeln und Verantwortung in Form von Leadership für ihren jeweiligen Handlungsbereich übernehmen. AAEL erfordert auf Seiten der Organisation wie auf Seiten der Person eine Bereitschaft zur Kultivierung eines souveränen Umgangs mit komplexer Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit von Neuem und Bestehendem und stetigem Verändern und Loslassen-Könnens.
In der Praxis ist ein Sowohl-Als-Auch zugleich auch als das Finden von weiteren gleichwertigen, integrierten oder ausbalancierten Lösungen zwischen diesen Dualitäten zu verstehen. Beispielhaft visuell beschrieben also zwischen rot und blau als Dualitäten in den vielen Schattierungen von violett Lösungen zu suchen und Lösungen zu finden. Denn genau genommen bleibt es mit Blick auf die komplexen Anforderungen an (Hochschul-)Bildung mit ihren multiplen Aufgaben in Forschung, Lehre, Transfer oder gesellschaftlicher Verantwortung weitaus komplexer als in einer Dualität hinterlegt, so dass hier auch mit Blick auf das Dazwischen von einer Multidextrie der Anforderungen gesprochen werden könnte, für die es jeweils eine weitere Hand benötigte, statt zwei bzw. beide Hände. Doch bei genauer Betrachtung geht es bei Ambidextrie nicht primär um eine Anzahl, sondern um das Agieren und Ausbalancieren von Lösungen mit Blick auf eine Paradoxie, also im Kern Widersprüchlichem und Unvereinbarem. Ambidextrie steht daher nicht für eine Anzahl, sondern für eine grundlegende Herangehensweise. Deshalb wird hier der Begriff der Ambidextrie beibehalten, wenn Exploration und Exploitation zueinander ins Verhältnis gesetzt werden, da es um das Prinzip des Überbrückens geht.
Eine entsprechende Kultur zu ermöglichen und zu fördern, die sowohl Exploration als auch Exploitation gleichermaßen unterstützt und die Handlungsfähigkeit im Dazwischen unterstützt, ist im AAEL grundlegend. Bedingungen zur Förderung von Emergenz einer AAEL-Kultur zu ermöglichen, ist anspruchsvoll und komplex. Es wird beim AAEL davon ausgegangen, dass eine flexible, agile Organisationsstruktur, die sowohl Offenheit für Neues wie individuelle Initiativen durch Selbstorganisation fördert als auch systematische Effizienz und optimierte Routinen unterstützt, dafür einen fruchtbaren Boden bietet. Das Handlungsprinzip der Überbrückung der Dualität von Exploration und Exploitation zielt darauf ab, eine Kultur zu stärken, die sowohl Risikobereitschaft und Kreativität als auch Effizienz und optimierte Routinen gleichermaßen wertschätzt und fördert. Eine solche Kultur ermöglicht es, flexibel und souverän zwischen neuen Ansätzen und bestehenden Prozessen zu navigieren und sich an wechselnde Bedingungen anzupassen. Es geht hier auf den ersten Blick um ein Ausbalancieren der jeweiligen Dualitäten, doch auf dem zweiten Blick vor allem um das Finden von Lösungswegen zwischen beiden – im Sinne einer Kultivierung einer souveränen Handlungsfähigkeit im Dazwischen. Oder bildlich: Das Finden und Bauen von Brücken. Diese Kultur unterstützt individuelle Initiativen und Selbstorganisation sowie systematische Effizienz und optimierte Routinen, um sowohl persönliche als auch institutionelle Entwicklung nachhaltig zu fördern. Durch die Integration organisationaler und individueller Ambidextrie werden sowohl die proaktive Gestaltung von (Hochschul-)Bildung ermöglicht als auch die situative Anpassungsfähigkeit, Entwicklungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit von Bildungseinrichtungen und Bildung im weiteren Sinne in einer schnelllebigen, komplexen und unsicheren Welt gestärkt.
Souveräne Agilität im (Hochschul-)Bildungsbereich
Agilität spielt eine zentrale Rolle in der modernen (Hochschul-)Bildung, da sie es ermöglicht, schnell und effektiv auf die dynamischen und komplexen Herausforderungen der heutigen Bildungslandschaft zu reagieren und vor allem selbst proaktiv ins schrittweise Handeln zu kommen.
Durch die Implementierung agiler Prinzipien und Praktiken können Hochschulen ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erhöhen, um sowohl kurzfristige Anforderungen als auch langfristige strategische Ziele zu erfüllen. Agilität fördert eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und der ständigen Verbesserung, die entscheidend ist, um den Bedürfnissen von Studierenden, Lehrenden wie Ansprüchen von außen an Hochschule und (Hochschul-)Bildung gerecht zu werden.
Für AAEL im Hochschulbereich sind sowohl das eigentliche „Doing Agile“ als auch das „Being Agile“ wichtige Anknüpfungspunkte. Sie geben sowohl Raum, eine innere, agile Haltung zu entwickeln, die bei der Aushandlung und Integration in Form agiler Werte und Prinzipien beiträgt und sich entwickelt (Being Agile) als auch Agilität über die konkrete Anwendung von Methoden und Praktiken (Doing Agile) im Bildungsalltag zu realisieren, um gleichermaßen Prozesse zu optimieren und flexibel auf Veränderungen zu reagieren, um letztlich ein besseres Ergebnis zu liefern. In diesem Fall ist das intendierte Ergebnis, Hochschulbildung in agiler Weise zu verbessern.
Das Zusammenspiel von „Doing Agile“ und „Being Agile“ erfordert eine flexible, agile Organisationsstruktur sowie eine Kultur des kontinuierlichen Lernens und der Anpassungsfähigkeit. Durch die Kultivierung einer agilen Zusammenarbeit können Hochschulen die Komplexität und Dynamik des Bildungssektors souverän bewältigen und eine nachhaltige, zukunftsfähige Bildung schaffen.
Das Handlungsprinzip der souveränen Agilität zielt darauf ab, (Hochschul-)Bildung so zu gestalten, dass (Hochschul-)Bildungsorganisationen Entwicklungsanforderungen und Veränderungen von außen wie innen souverän begegnen können und so Komplexität agil in angemessener Qualität bewältigen kann. Dies gilt sowohl im Modus der Exploitation (Optimierung und Effizienz bestehender Prozesse) als auch in dem der Exploration (Neues und Innovationen). Eine agile Bildungsorganisation zeichnet sich durch Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und eine kontinuierliche Lern- und Verbesserungsbereitschaft aus. Agilität ermöglicht es, schnell und effektiv auf neue Herausforderungen zu reagieren und gleichzeitig stabile und effiziente Prozesse zu erhalten. Agile Zusammenarbeit in der einzelnen Bildungsorganisation setzt auf agile Werte, wie sie in den AAEL-Werten integriert sind.
Gesellschaftliche Verantwortung und Bildungsauftrag
Im AAEL-Rahmen wird Educational bzw. Bildung in umfassender Weise adressiert und Hochschulbildung im Besonderen. Gesellschaftliche Verantwortung bedeutet auch das langfristige Engagement für nachhaltige Bildungsprozesse und die Bereitschaft, die Auswirkungen des eigenen Handelns kritisch zu reflektieren. Und dieses gilt für alle drei Aufgabenbereiche der Hochschulbildung: Persönlichkeitsbildung, Arbeitsmarktorientierung und Erwerb von Fachwissen und ‑kompetenzen.Es ist daher relevant, wie die Hochschulen ihrem gesellschaftlichen und organisationsspezifischen Bildungsaufträgen durch die Gestaltung von rahmenden strukturellen, räumlich-baulichen, rechtlichen, sozialen oder auch kommunikativen Umgebungen gerecht werden können, die demokratische Prinzipien im Handeln stärken.
Dazu gehört die Ermöglichung vielfältiger Formen von Lernen, Kompetenzerwerb und Gelegenheiten für Bildung. Deshalb wird hier mit Bildung sowohl die nahe liegende Mikroebene der Lehrgestaltung und ‑entwicklung ebenso adressiert, als auch eine Gestaltung von institutionellen und organisationalen Rahmenbedingungen für verschiedene Formen von Bildung in Form von Lehrgängen, Programmen oder Studiengänge, sowie auch Experimentierräumen auf der Mesoebene der Organisation. Diese sind verbunden mit formalen, strukturellen und eigenen organisationalen Veränderungen auf der Ebene der Bildungsorganisation bzw. Institution selbst in ihrem gesellschaftlichen Kontext. Gerade mit Blick auf gesellschaftliche Herausforderungen und moderne Entwicklungen sind für AAEL ebenso politische Gestaltungsmöglichkeiten auf der Makroebene und mit Blick auf Offenheit, Technologieentwicklung und Nachhaltigkeit auch nochmals verstärkt eine globale Perspektive relevant, wenn es um gesellschaftliche Verantwortung geht.
Das Handlungsprinzip der gesellschaftlichen Verantwortung und des Bildungsauftrags zielt darauf ab, die Rahmenbedingungen für (Hochschul-)Bildung so zu gestalten, dass sie sowohl die Persönlichkeitsentwicklung und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung fördern als auch grundlegendere Bildungsaufgaben erfüllt werden können. Bildung trägt zur Entwicklung einer kritischen, wertebasierten und demokratischen Gesellschaft bei. Eine strategisch sinnstiftende Ausrichtung durch eine gemeinsame Vision für eine vernetzte (Hochschul)-Bildung stärkt das Verständnis für einen Bildungsauftrag, der Werte und Prinzipien für das Handeln prägt.
Integriertes Leadership im (Hochschul-)Bildungsbereich
Personen die Leadership im Sinne des AAEL-Rahmens übernehmen wollen und können, agieren u.a. mit coachender Haltung, um Personen, Gruppen oder Teams zu unterstützen, zu inspirieren und zur Übernahme von Verantwortung zu ermutigen. Eine solche integrative, partizipative Leadership-Kultur kann zur kontinuierlichen Entwicklung und zum gemeinschaftlichen Engagement beitragen und die Hochschulbildung umfassend stärken, sowohl den komplexen und dynamischen Anforderungen der modernen Gesellschaft gerecht zu werden als auch sich miteinander gestaltend weiterzuentwickeln.
Entsprechend haben gleichermaßen Elemente eines Lateral- und Servant-Leaderships ebenso wie verteiltes und Co-Leadership in dieser integrierten Perspektive ihren Platz. Leadership im Rahmenwerk AAEL meint also als integriertes Leadership eine Synthese verschiedener transformationaler Leadership-Ansätze, um Elemente bewusst miteinander zu verbinden und sie in diesem Rahmen handlungsleitend zu nutzen.
Das Handlungsprinzip eines integrierten Leaderships im Bildungsbereich zielt darauf ab, Leadership in der Hochschulbildung als eine Variante transformationalen Leaderships auszugestalten. Dazu gehört mit Blick auf Partizipation und Selbstorganisation sowohl die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit agilen Leaderships als auch die gleichzeitige Bestandsoptimierung und Innovation ambidextren Leaderships. Um im Dazwischen Handlungsfähigkeit zu integrieren, braucht es eine übergreifende Leadership-Kultur, die die Eigenverantwortung und Selbstorganisation aller Akteur_innen gleichermaßen fördert und einen Brückenschlag zwischen Leadership in traditionellen wie modernen Organisationsstrukturen ermöglicht.
Sechs Prinzipien als Leitplanken für eine AAEL-Praxis
Zusammengenommen setzt das Rahmenwerk AAEL für die gemeinsame Gestaltung der Praxis einer zukünftigen Hochschulbildung (derzeit) auf sechs Prinzipien. Diese sechs AAEL-Prinzipien knüpfen direkt an die AAEL-Werte an und unterstützen darin, dass die wertbasierte Grundhaltung in dynamischen Bildungswelten in konkretes Handeln über alle Ebenen hinweg überführt werden kann. Sie helfen, sowohl stabil als auch flexibel zu agieren und im Dazwischen handlungsfähig zu bleiben, Innovationen voranzutreiben und zugleich bewährte Prozesse wertzuschätzen.
Ob auf Ebene einzelner Kurse, ganzer Fakultäten oder institutionenübergreifender Kooperationen – die Prinzipien geben Orientierung, um in der (Hochschul-)Bildung geteilte Ziele zu verfolgen und gleichzeitig Raum für Experimente und kooperatives wie kollaboratives Lernen zu bewahren. Mit einem integrierten Leadership-Verständnis und einer klaren Wertebasis kann (Hochschul‑)Bildung in der Post-Digitalität so gestaltet werden, dass sie nicht nur anpassungsfähiger, sondern auch nachhaltiger und menschlicher wird.
Um diese Überlegungen in den nachfolgenden praxisnahen Ausführungen verständlicher zu machen, wird im nächsten Abschnitt ein konstruiertes fiktives Beispiel der Learning University (kurz LU genannt) mit fiktiven Personen, Strukturen und möglichen Praktiken als Anker beschrieben. Dieses Beispiel wird später mit spezifischen Vertiefungen im AAEL-PlayBook entlang der Elemente des AAEL-Rahmens weiter beschrieben. Das fiktive und mitunter idealisierte Beispiel soll dabei helfen, die eigene Hochschule dazu ins Verhältnis zu setzen und für entsprechende eigenen Bereiche, Prozesse oder Themen und Rollen Denkanstöße und Reflexionsanlässe oder Anregungen zur Einordnung zu erhalten.
Aus aktuellem Anlass und damit eine griffige Identifikation mit den Fragen, denen sich die LU mit ihren Akteur_innen kurz- und mittelfristig zu stellen hat und haben wird, erfolgen kann, wird das Themenfeld „KI in der Bildung“ fachlich in die Beispiele eingewoben.
Teil III
Learning-University (LU). Eine fiktive Beispiel-Organisation, ihre Akteur_innen und ihre AAEL-Praxis
Nachfolgend werden beispielhafte Situationen über die Mikro‑, Meso- und Makro-Ebene von Hochschule hinweg skizziert und diese exemplarisch mit AAEL-Prinzipien in Verbindung gebracht. Bei allen Situationen handelt es sich um fiktive Anlässe und Gespräche, die inspiriert sind durch Beobachtungen und Diskussionen rund um das Thema KI in der Hochschulbildung aus der derzeitigen, öffentlichen Fachdiskussion. Sie wurden kontextualisiert und auf konkrete Orte in einer fiktiven Hochschule transferiert. Die LU repräsentiert keine existierende Hochschule und ist ein rein fiktives Beispiel.13
- Wie gehen Studierende, Lehrende, Verwaltungsmitarbeitende und die Hochschulleitung mit der rasanten Entwicklung im KI-Bereich um?
- Welche inhaltliche Auseinandersetzung mit KI für die Bildung erfolgt wo und mit wem?
- Wo sind kritische Zweifel wichtig, wo Pragmatismus angebracht und wie passen die Entwicklungen zum Leitbild der Learning University?
- Wo sind Veränderungen nötig, wo sinnvoll und wo erstmal nicht?
- Welche Balance zwischen Tradition und Innovation findet sich?
Stellen Sie sich diese (fiktive) Institution vor und lassen Sie sich kurz auf sie ein …
Die fiktive Lernreise der Learning University (LU)
Die Learning University (LU) ist eine mittelgroße, forschungsorientierte Hochschule mit rund 28.000 Studierenden und einem breiten Fächerportfolio. Im Leitbild verankert sind bereits Werte wie Offenheit, Diversität und Nachhaltigkeit sowie ein Bekenntnis zu Bildung in einer Kultur der Digitalität, die sich im Zuge der digitalen Transformation beständig weiterentwickelt. Und eine gelebte Kultur entwickelt sich darauf hin.
In den letzten Semestern rückte ein zentrales Thema in den Vordergrund: „Künstliche Intelligenz (KI) in der Hochschulbildung“. Zwischen Aufbruchsstimmung und Skepsis beobachten, testen und diskutieren die Akteur_innen die neuen Möglichkeiten generativer Sprachmodelle im Kontext von Lehre, Forschung wie auch Administration, Kommunikation und Verwaltung. Einige sind sofort Feuer und Flamme andere erproben wie immer gleich das neueste Werkzeug, andere zögern noch – mal fasziniert, mal besorgt.
Ein weiterer Monat voller Anspannung und Aufbruch
Kommen Sie mit auf den Campus der Learning University. Bereits beim Betreten des Areals mit seinen offen wirkenden Gebäuden, Grünflächen und Orten zum Verweilen oder Lernen spüren Sie eine freudige Energie: Lehrende und Studierende, die selbstverständlich aktuelle KI-Tools erkunden, angeregte Diskussionen über neue Forschungsergebnisse und Seminare – und Info-Monitore, die die neuesten Entwicklungen im Bereich KI anzeigen sowie Orte für Stillarbeit und zur ungestörten Teilnahme an Online-Formaten.
Im „Open Space“ der Hochschulleitung (Makro-Ebene)
In einem der Gebäude blickt die Rektorin Eva Adams auf Teile der anstehenden Monatsagenda:
- AI Sprints: Kurze Phasen, in denen interdisziplinäre Teams neue KI-Anwendungen erproben und kritisch hinterfragen.
- Retro-Lab: Ein offenes Forum, bei dem sich u.a. Dekan_innen, Studierende, Lehrunterstützendes Personal und Professor_innen aber auch externe Partern_innen über KI-Einsatz, Ethik und Organisationsentwicklung austauschen.
- Open-Vision-Forum: Eine Veranstaltungsreihe, zu der auch externe Partner eingeladen werden, um über zukunftsorientierte Hochschulbildung zu diskutieren.
- Ambidextrie4me-Circle: Ein Format, in dem vier bis fünf Personen über zwölf Wochen in einem Circle eigene Herausforderungen durch kollegiales Peer-to-Peer-Coaching selbst meistern.
Sie lächelt leicht. „Auch wir als Leitung sind Lernende. Die Learning University macht ihrem Namen alle Ehre – wir müssen uns stetig neu orientieren und mit allen dazulernen – und dabei darauf achten, was uns ausmacht und ausmachen wird.“
AAEL-Handlungsprinzip: Wertebasiertes Agieren für eine zukunftsfähige Hochschulbildung
Rektorin Adams betrachtet die Agenda nicht nur als organisatorischen Plan, sondern als Ausdruck einer Wertehaltung: Mut, Offenheit, Reflexion, Verantwortung. Die LU soll nicht nur effizient KI im Sinne von Digitalisierung in ihre Strukturen integrieren, sondern dies auf eine Art tun, die mit ihrem Bildungsverständnis im Einklang steht.
Im „Ideenraum“: Reflexion und Perspektivwechsel (Meso-Ebene)
Ein Stockwerk tiefer stößt das Team für Digitale Innovation, die Tür zum „Ideenraum“ auf. Hier versammeln sich Lehrende, Studierende und Mitarbeitende aus der Verwaltung – darunter Dekanin Prof. Dr. Leonie Hansen von der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften. Es geht hier um strukturelle Diskussionen über Lehre und Prüfungsformate in Fakultäten und Verwaltung.
Marisa aus dem Team Hochschuldidaktik übernimmt heute die Moderation und begrüßt die Runde: „Willkommen zu unserem ersten Treffen in diesem Monat. Wir möchten KI verantwortungsvoll und mutig in Lehre und Verwaltung integrieren – dabei bleibt Bewährtes aber wichtig. Wer hat Ideen für den ersten Sprint?“
Dekanin Hansen wirft ein: „In meiner Fakultät ist KI durchaus umstritten, aber ich möchte Brücken bauen. Wir sollten ausprobieren, was KI uns bringt, statt nur von Weitem zu urteilen.“ Ein Studierendenvertreter regt an, generative KI in Hausarbeiten zuzulassen, allerdings mit klarer Kennzeichnung. Kai Müller, Prüfungsamtsmitarbeiter_in, hebt den Kopf: „Nur zur Erinnerung: Es gibt Regeln. Wer sie ändern will, darf das gern beantragen. In dreifacher Ausführung.“ Alex Dejavu, Lehrbeauftragte_r aus der Philosophie, runzelt die Stirn: „Aber wie steht es um die Originalität studentischer Texte? Lehren wir dann noch selbst zu denken? Entwickeln wir noch Persönlichkeiten?“ Dazu Noa Bing, Ingenieur_in, klappt das Tablet auf: „Wollen wir wirklich über Textästhetik diskutieren, während die Industrie längst KI-generierte Systemdokumentationen abnimmt? Solange der Strom fließt und die Fakten stimmen, ist mir herzlich egal, wer den Fließtext schreibt.“ Zustimmend lächelt Aylin Brem, BWL-Professor_in, kühl: „Wettbewerbsfähigkeit beginnt bei Output. Und der ist nun mal höher, wenn man alle verfügbaren Ressourcen optimal nutzen kann.“ Und Samir Boum, Studentische_r Vertreter_in, lehnt sich zurück: „KI in Hausarbeiten? Längst Alltag. Ein allgemeiner Verweis auf die Eigenständigkeit zur Erstellung der Arbeit sollte mittlerweile genügen“. „Wenn wir nicht mehr über analog oder digital reden müssen, sondern über Bildung in der Post-Digitalität– welche Regeln brauchen wir dann?“, fragt eine Professorin der Sprachwissenschaft.
Nach der Sitzung hält Hansen inne: Was, wenn wir in zehn Jahren zurückblicken und feststellen, dass wir heute die falschen Fragen gestellt haben?
Dieser Moment verdeutlicht das AAEL-Prinzip der integrierten Führung: Veränderungen werden von vielen Akteur_innen gemeinsam getragen und nicht allein von oben diktiert.
Diese Selbstzweifel sind nicht nur eine persönliche Erfahrung – sie ziehen sich durch die Learning Universität. Die Auseinandersetzung mit KI verändert nicht nur, was Studierende lernen, sondern auch wie Lehrende ihre Rolle verstehen.
Im Seminar: Gleichsam im Doing und Being mit KI (Mikro-Ebene)
Bereits in der ersten Woche führt eine junge Dozentin, Dr. Ayla Schäfer, eine Lehrveranstaltung in den Erziehungswissenschaften durch, in der sie ein generatives KI-System vorstellt. Mit wenigen Stichwörtern lassen sich Essays zu pädagogischen Theorien erstellen – mal treffsicher, mal fehlerbehaftet.
Erfahrung der Studierenden:
Manche sind begeistert, dass sie rasch Rohentwürfe für Hausarbeiten bekommen; andere stolpern über inhaltliche Ungenauigkeiten.
- Lernprozess:
Ayla lässt die Studierenden gemeinsam die Essays auf Plausibilität und Quellenlage prüfen. „Wir lernen hier nicht, die KI blind zu übernehmen, sondern sie als Werkzeug zu verstehen. Ihr müsst sie hinterfragen und in der Lage zu entscheiden ob und wie die Ergebnisse anzureichern sind.“ - Perspektive der Studierenden:
KI wird als Sparring-Partner betrachtet, als Tutor für die vielen Fragen, die sonst nicht gestellt werden – und in der einen oder anderen Gruppenarbeit bereits als weiteres Mitglied im Team.
Schon nach wenigen Seminarterminen zeigt sich eine offene und agile Lernatmosphäre: Schnelle Feedback-Schleifen, Mut zum Fehler und kritisches Denken beim Einsatz neuer Technologien und dem Erfassen ihrer Tragweite über ein Werkzeug hinaus.
AAEL-Handlungsprinzip: Selbstverständliche Post-Digitalität
Die Diskussion im Seminarraum zeigt deutlich: Digitalität ist kein Zusatzaspekt mehr, sondern eine allgegenwärtige Bedingung. KI ist nicht mehr nur ein neues Thema – sie ist in ihrer ganzen Breite Teil von Bildung. Studierende und Lehrende tauschen sich nicht mehr darüber aus, ob KI integriert werden soll, sondern wie eine verträgliche Integration möglich ist, die auch die kritischen Aspekte von KI berücksichtigt. Die LU erkennt, dass es nicht um eine künstliche Trennung zwischen analoger und digitaler Lehre geht – sondern darum, Bildung in der Digitalität zu ermöglichen und selbstverständlich Umgebungen für Lernen in einer tiefgreifend mediatisierten und durch Medialität geprägten Welt zu gestalten.
AAEL-Handlungsprinzip: Wertebasiertes Agieren für eine zukunftsfähige Hochschulbildung
Die Diskussion im Raum zeigt auch, dass Werteorientierung direkt in der Zusammenarbeit in Lerngruppen oder Teams beginnt. Die LU verstärkt partizipative Lernformate, um die Studierenden gezielt in Kooperation und Kollaboration zu bringen – um gemeinsam sozial und fachlich zu lernen.
Während Lehrende und Studierende im Ideenraum bereits intensiv über neue Lernformate diskutieren und in Seminaren KI zum Thema machen, wird auf struktureller Ebene deutlich, dass es für grundlegende Veränderungen auch formale Prozesse braucht. Auch hier rückt die Frage nach KI und ihrer Bedeutung für die Hochschulbildung unweigerlich in den Mittelpunkt.
Im Fakultätsrat: KI als Anstoß für strukturellen Wandel (Meso-Ebene)
In der zweiten Woche tritt der Fakultätsrat der Wirtschaftswissenschaften zu seiner ersten Sitzung in diesem Semester zusammen. Dekan Prof. Dr. Henrik Meissner hat eine Tagesordnung vorbereitet, die sich mit Budgetfragen und einem neuen Konzept zur Gewinnung von (internationalen) Studierenden befasst. Doch bevor die Sitzung richtig beginnt, meldet sich eine Gruppe Studierender zu Wort.
Studentin Jana: „Wir wollen, dass in unseren BWL- und VWL-Kursen endlich mehr Zeit auf zukünftige Fähigkeiten gelegt wird – Data Literacy, Projektmanagement mit KI-Tools und so weiter. Die Lernkonzepte fühlen sich veraltet an!“
Student Leon fügt hinzu: „Es geht nicht nur um technische Aspekte. Auch agile Arbeitsmethoden, kritische Reflexion über KI und Nachhaltigkeit sind Themen, die uns im späteren Berufsleben betreffen. Warum vermittelt uns das niemand?“
Auch Professorin Schreiber äußert sich. „Wir diskutieren hier, aber die eigentlichen Fragen bleiben: Welche Prüfungsformate brauchen wir künftig? Können wir uns überhaupt noch auf feste Curricula verlassen? Sollen alle Fakultäten in den kommenden Semestern bereits erste Pilotprojekte für neue Prüfungsformate starten?“
Der Dekan ist sichtlich überrascht. Er blickt in die Runde der Ratsmitglieder, die verunsichert wirkt: Manche zucken unsicher mit den Schultern, andere machen sich hastig Notizen. Im Raum breitet sich eine Mischung aus Ermattung, Vorsicht und Aufbruchsstimmung aus. Er räuspert sich: „Danke für eure Offenheit. Ich kann nicht versprechen, dass wir alles gleich ändern, aber wir nehmen das wirklich ernst.“
Und einen Augenblick später nutzt er den Moment und stellt die Frage an die Runde: “Es braucht eine Entscheidung – sollen wir als Wirtschaftsfakultät in den kommenden Semestern Pilotprojekte für neue Lern- und Prüfungsformate starten?” Nach eingehender Debatte fasst die Fakultät einen richtungsweisenden Beschluss: Ab dem kommenden Semester sollen verstärkt Prüfungsformate in den Bachelor-Studiengängen als Open-Format-Prüfungen pilotiert werden. Darüber hinaus wird ein fakultätsübergreifendes Beratungsgremium eingerichtet, das zeitgemäße hochschulweite Prüfungsformate mit Leitlinien für den kompetenzbasierten Umgang mit KI in der Lehre entwickeln soll.
Nach der Sitzung bleiben mehrere Ratsmitglieder noch stehen. Man hört auf dem Flur Wortfetzen wie „Tempo der Veränderungen“, „Selbstzweifel“, „Schaffen wir das alles?“. Sie spüren, dass hier ein Ruck durch die Fakultät gehen könnte – die Frage ist nur, ob er konsequent genug ausfällt.
Meissner fasst sich: Vielleicht haben die Studierenden recht. Vielleicht müssen wir unsere Denkweise grundlegend überdenken. Nicht nur einzelne Methoden, sondern unsere gesamte Vorstellung davon, was Hochschulbildung in der Digitalität bedeutet.
AAEL-Handlungsprinzip: Überbrückung der Dualität von Exploration und Exploitation
Dekan Meissner ist überrascht, doch er erkennt den Kern des Problems: Exploration und Exploitation sind nicht im Gleichgewicht. Seine Fakultät hat sich auf bewährte Methoden verlassen – aber nun ist es Zeit, neue Ansätze zu wagen. An der LU werden Entscheidungsprozesse über die Gestaltung neuer Curricula, Prüfungsformate und Lernformate in den Fakultäten aktiv angestoßen.
Im KI-Lab: Experimente und Pilotierungen (Mikro- und Meso-Ebene)
In der dritten Woche laufen im KI-Lab der Learning University verschiedenste Pilotprojekte zusammen. Das KI-Lab bietet agile Experimentierräume für neue Lehr- und Lernkonzepte, die später hochschulweit implementiert werden könnten. Informatiker_innen tüfteln an einem automatisierten Feedback-Tool, Wirtschaftswissenschaftler_innen wollen ein KI-basiertes Planspiel zum Thema Unternehmensführung entwickeln, und Dekanin Hansen berichtet von geisteswissenschaftlichen Seminaren, in denen KI die Analysen literarischer Texte anstößt.
Akteur_innen: Neben Mitgliedern aus dem Team Digitale Innovation wie Marisa und einzelnen Studierenden finden sich hier Lehrende mit verschiedenen Schwerpunkten sowie Personen, die die Lehre mit ihrer Expertise in rechtlichen und administrativen Fragen mitgestalten. Die Frage nach passenden Assessment-Formen und Lernzielen im KI-Zeitalter steht immer öfter im Zentrum.
Die Folgen der vorangegangenen Fakultätsrat-Debatte werden nun konkret sichtbar: Dekan Meissner taucht auf, sichtlich nachdenklich: „Unsere Studierenden haben uns in der Wirtschaftsfakultät wachgerüttelt. Könnten wir im KI-Lab vielleicht einen Workshop organisieren, in dem wir gemeinsam zukunftsfähige Lernkonzepte erarbeiten?“
Während in einer Ecke eine lebhafte Diskussion über Chancen neuer Technologien entsteht, zeigen sich auch deutlich unterschiedliche emotionale Reaktionen auf die tiefgreifenden Veränderungen durch KI. Die Teilnehmenden reagieren teils spontan, teils nachdenklich – und zeigen so die ganze Bandbreite der Reaktionen, die große Veränderungen an Hochschulen begleiten: Marisa aus dem Team Digitale Innovation stellt fest: „Ich hätte nicht erwartet, dass die Veränderungen durch KI so schnell und umfassend kommen würden. Vieles fühlt sich wie ein großer Umbruch an. Wie sollen wir mit diesem Tempo Schritt halten?“
Prof. Dr. Maria Kramer, Sozialwissenschaftler_in, äußert sich kritisch: „Ich halte nichts davon, dass wir diese KI-Tools ungefiltert auf unsere Studierenden loslassen. Das verwässert unser wissenschaftliches Niveau und zerstört auf Dauer die Qualität der Lehre!“
Eine Verwaltungsmitarbeiterin fügt hinzu, sichtlich irritiert: „Ich verstehe einfach nicht, wieso wir bewährte Abläufe nun komplett auf den Kopf stellen sollen. Das macht mir Sorgen – ist das wirklich alles notwendig?“
Eine junge Lehrbeauftragte aus den Geisteswissenschaften wirkt unsicher: „Ich fühle mich oft überfordert mit den schnellen Veränderungen. Wie soll ich da mithalten? Andererseits sehe ich, wie neugierig und offen die Studierenden sind – vielleicht muss ich mich einfach darauf einlassen, aber ich habe Sorge, fachlich abgehängt zu werden.“
Die BWL-Professorin, die anfangs skeptisch war, signalisiert zunehmend Offenheit: „Ich hatte Angst, von KI abgehängt zu werden. Aber ich sehe jetzt, dass wir uns gemeinschaftlich fortbilden müssen. Ich beginne zu verstehen, dass hier echte Chancen liegen.“
Die junge Erziehungswissenschaftlerin Dr. Ayla Schäfer wirkt begeistert: „Ich sehe KI schon als festen Teil meines Lehrens und Lernens. Diese Tools geben mir Freiraum für tiefere didaktische Überlegungen und ermöglichen mir, mehr in den persönlichen Kontakt mit meinen Studierenden zu gehen.“
Gerade diese Vielfalt und Offenheit der Reaktionen zeigen, dass die LU auf einem authentischen Weg ist – Veränderung wird nicht verordnet, sondern im emotionalen und sozialen Austausch gemeinsam gestaltet.
Die unterschiedlichen Personen mit ihren Perspektiven sammeln sich hier in einem offenen Raum. Gerade in dieser Spannung wird deutlich, dass Veränderung nicht linear verläuft, sondern in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und emotionalen Intensitäten erlebt wird. Mit einer konstruktiven gemeinschaftlichen Reaktion wächst das gegenseitige Verständnis – und die Einsicht, dass der Weg nach vorne nur gemeinsam gestaltet werden kann.
Agile Coaches unterstützen hierbei gezielt die Reflexion der emotionalen Reaktionen und gestalten die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Positionen.
Nach mehreren Tests und intensiven Diskussionen beschließen die Beteiligten, dass agile Prinzipien an der LU nicht nur im KI-Lab, sondern hochschulweit als Standard für Projektentwicklungen übernommen werden sollen, weil sie einen gemeinsamen schrittweisen Lernprozess ermöglichen: „Wir sollten gemeinsam klarere Vorstellungen davon entwickeln, wie agile Prozesse nicht nur punktuell umgesetzt, sondern langfristig und institutionell verankert werden können.“
AAEL-Handlungsprinzip: Souveräne Agilität im Bildungsbereich
Wie können Hochschulen so organisiert sein, dass sie auf Veränderungen nicht nur reagieren, sondern aktiv gestalten? Es geht um gelebte Agilität – mit einem stabilen Fundament, Raum für Emotionen und für viele, mutige Schritte.
In den Retro-Labs (Mikro‑, Meso- und Makro-Ebene)
Parallel dazu laufen im gesamten Monat Retro-Labs, in denen Rektorin Dr. Eva Adams und Kanzler Dr. Uwe Hinz regelmäßig mit allen Akteur_innen sowie jeweils passenden externen Partner_innen – sowohl Stakeholder als auch Critical Friends – in den gemeinsamen Austausch mit Blick auf langfristige Zielräume und Visionen der aktuellen Entwicklungsvorhaben treten.
Themen: Datenschutz, Plagiatssicherung, ethische Fragen zu KI, aber auch neue Chancen für internationalen Austausch. Und ebenso die Diskussion der Zugänglichkeit für alle Studierenden zu datenschutzkonformen KI-Angeboten auf Basis generativer Sprachmodelle und dazu die Frage der Notwendigkeit offen und frei zugänglicher Sprachmodelle für Bildung.
Format: Kurze, iterative Meetings, in denen Eindrücke aus den laufenden Teams gesammelt werden. Anschließend können einzelne Arbeitsgruppen – wie das KI-Lab – weiter konkrete Lösungen austesten.
Rückwirkungen: Insbesondere die Wirtschaftsfakultät bringt jetzt verstärkt neue Anregungen ein, um die Lehrinhalte zu modernisieren. Die Selbstzweifel aus der Fakultätsratssitzung weichen ersten, pragmatischen Ideen zur Reform von Modulplänen.
AAEL-Handlungsprinzip: Souveräne Agilität im Bildungsbereich
Die Hochschulleitung fragt: „Wie können wir uns so organisieren, dass wir auf Veränderungen nicht nur reagieren, sondern aktiv gestalten?“ Dies wird eine der Leitfragen für die Zukunft der LU.
Im Open-Vision-Forum: Gemeinsam ans Ziel – und doch auf fortwährender Reise (Makro-Ebene)
Gegen Ende dieses Monats – unserem fiktivem Beobachtungszeitraum – findet das erste Open-Vision-Forum statt. Es geht hier um die gemeinsame strategische und gesellschaftliche Positionierung der Hochschule im Umgang mit KI und Post-Digitalität. Die Teilnehmenden präsentieren Erlebnisse, Erkenntnisse, Ergebnisse und Ideen:
- Ein überarbeiteter KI-Leitfaden entstand dank Feedback aus Seminaren (Mikroebene), dem KI-Lab (Mesoebene) und den Retro-Labs (Makroebene).
- Studierende weisen Stolz auf ihren Beitrag hin, etwa die Initiative zur Modernisierung der Lehre in der Wirtschaftsfakultät.
- Kanzler Dr. Hinz ermutigt alle, sich weiterhin in den Prozess zur Digitalen Transformation administrativer Prozesse einzubringen, beispielsweise als Stakeholder für das nächste Review-Meeting für Rechtsfragen bei Open Book-Prüfungen.
Im Open-Vision-Forum wird klar: Hochschulen weltweit stehen vor denselben Fragen. Die Internationalisierungsstrategie wird ergänzt um eine Stärkung der Partnerschaft mit internationalen Universitäten wird beschlossen, um Wissen über KI, Ethik und Bildung auch mit globaler Perspektive und gesellschaftlicher Verantwortung gemeinsam weiterzuentwickeln. Das Open-Vision-Forum führt insofern nicht nur zur internen Klärung der Hochschulstrategie, sondern setzt zugleich Impulse für internationale Vernetzung. In Kooperation mit Partneruniversitäten startet die LU eine transnationale Arbeitsgruppe, die sich mit ethischen Standards für den Einsatz von Open-Source-KI im Hochschulbereich beschäftigt. Ziel ist es, sich über die jeweilige Praxis und Praktiken auszutauschen und international anschlussfähige Strategien zu entwickeln, um (Hochschul-)Bildung verantwortungsbewusst und technologisch souverän weiterzuentwickeln.
In der abschließenden Diskussion erinnert Dekanin Hansen nochmals an ihren anfänglichen Zweifel: „Ob wir heute bereits die richtigen Fragen stellen, wissen wir nicht. Doch wichtig ist, dass wir uns trauen, überhaupt neue Fragen zu stellen – gelernt haben werden wir daraus auf jeden Fall!“
AAEL-Handlungsprinzip: Gesellschaftliche Verantwortung und Bildungsauftrag
Die LU erkennt, dass KI nicht nur ein internes Thema ist – sondern eine Frage der gesellschaftlichen Verantwortung.
Dekan Meissner meldet sich nochmals zu Wort: „Im Fakultätsrat ist uns klar geworden, dass wir uns bewegen müssen. Unsere Studierenden haben recht – wir müssen die Lernkonzepte erneuern. Danke, dass wir hier gemeinsame Wege finden.“
Rektorin Evers bilanziert: „Wir wollten keinen geschlossenen Maßnahmenkatalog, sondern einen Prozess starten. KI ist nur ein Beispiel dafür, wie Agilität und Ambidextrie uns fordern und inspirieren. Dass das nur gemeinsam klappt, beweisen wir uns täglich.“
AAEL-Handlungsprinzip: Integriertes Leadership im Bildungsbereich
Transformation braucht geteilte Führung – nicht nur von oben, sondern aus der Mitte der Hochschule.
Vier Wochen Lernreise: Reflexion, Emotion und Erkenntnis
Im Verlauf dieser vier Wochen treten ganz unterschiedliche Gefühle hervor:
- Enthusiasmus:
Studierende wie Lehrende loben die neuen Tools als inspirierend, da sie sich so verstärkt auf strategische und kreative Aspekte konzentrieren können. - Besorgnis:
Einige Lehrende fürchten Qualitätsverlust oder haben Datenschutzbedenken und Betonen den absehbaren Kompetenzverlust bei sich und Studierenden. - Selbstzweifel:
Mitglieder des Wirtschaftsfakultätsrats erkennen, dass alte Routinen nicht mehr ausreichen. - Zuversicht:
Dekanin Hansen fasst nach vier Wochen zusammen: „Wir haben viel ausprobiert und noch mehr Fragen gefunden. Wir sind in Bewegung – das ist gut so!“ - Neugierde:
In einem Erziehungswissenschaftsseminar meldet sich ein Studierender: „Unsere Generation möchte nicht nur KI-Tools benutzen, sondern auch verstehen, welche Werte und Kompetenzen wir brauchen, um verantwortungsvoll damit umzugehen.“
Die Erfahrungen aus den AI Sprints, dem KI-Lab, den Circle-Meetings und den Retro-Labs haben klargemacht, wie wichtig eine Balance aus Bewährtem und Neuem ist. Und dass nachhaltige Veränderung in einem so tradierten System wie Bildung und Hochschule von innen kommen kann. Auch die kritischen Fragen rund um Ethik, Qualität, Zugang und Didaktik werden weiter ausgerollt. KI ist hierfür ein aktuelles und wichtiges Beispiel, weil es so widersprüchlich ist zwischen Ermöglichung und Kontrolle, zwischen Offenheit und Kommerz und vielem mehr. Und so wird das Thema KI im weiteren Sinne absehbar ein Transformationsanlass bleiben, um sich als Hochschule in der Post-Digitalität kritisch zu hinterfragen und zu positionieren.
Ausblick: Die fiktive Lernreise geht weiter
So endet dieser erste Einblick in den fiktiven Monat einer AAEL-Lernreise mit dem AAEL-Rahmen in die eigenen Hochschulbildungspraxis der Learning University am Beispiel der KI-Thematik.
Was bereits in dieser rahmenden Geschichte deutlich wird: Mit Ambidextrie, Agilität und einer post-digitalen Perspektive beginnt hier die fiktive Learning University ihre Reise in die Zukunft – und gestaltet sie aktiv mit. Denn nachhaltige Veränderung in Hochschulen kann nur von innen kommen. Alle sind aufgefordert, ihren Teil zur stetigen Weiterentwicklung beizutragen – eine echte Lernreise.
Für die Learning University geht die Lernreise nun im AAEL-PlayBook weiter. Das bedeutet, dass die LU einzelne Elemente des AAEL-Rahmens auswählt, diese mit ihren Akteur_innen anhand spezifischer Methoden vertieft und praktisch erprobt. Das AAEL-PlayBook folgt hier der grundsätzlichen Idee von Veränderung im Loop-Modus14 und bezieht sich auf die Geschichte des fiktiven Beispiels der Learning University.
Letzte Aktualisierung am 04.04.2025 (Changelog)
- siehe ausführlicher im Vertiefungskapitel unter: https://agile-educational-leadership.de/v1/agilitaet‑1 – 0/ ↩︎
- Tangram-Spiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Tangram ↩︎
- siehe ausführlicher zu Agilität und Agilität im Bildungsbereich im entsprechenden Vertiefungskapitel hier im AAEL-Buch 1.0 unter https://agile-educational-leadership.de/v1/agilitaet‑1 – 0/ ↩︎
- siehe ausführlicher zu Formen von personaler und organisationaler Ambidextrie im entsprechenden Vertiefungskapitel hier im AAEL-Buch 1.0 unter https://agile-educational-leadership.de/v1/ambidextrie‑1/ ↩︎
- siehe ausführlicher zu Agilität und Agilität im Bildungsbereich im entsprechenden Vertiefungskapitel hier im AAEL-Buch 1.0 unter https://agile-educational-leadership.de/v1/agilitaet‑1 – 0/ ↩︎
- siehe ausführlicher zum Fokus auf Bildung und ihre Relevanz zukunftsorientierte Handlungsfähigkeit im Wandel im entsprechenden Vertiefungskapitel hier im AAEL-Buch 1.0 unter https://agile-educational-leadership.de/v1/wieso-educational-oder-bildung-matters‑1/ ↩︎
- siehe ausführlicher zum Verhältnis von Management und Leadership sowie Formen von Leadership im entsprechenden Vertiefungskapitel hier im AAEL-Buch 1.0 unter https://agile-educational-leadership.de/v1/leadership‑1/ ↩︎
- Vgl. Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Vahlen. DOI: 10.15358/9783800649143 ↩︎
- In Anlehnung an die Erstellungsform des Scrum-Guides (https://scrumguides.org/index.html) wird für das AAEL-Rahmenwerk neben dessen versionenbasierter Weiterentwicklung die Auffassung von einer Art ‚Spielregeln‘ (‚Rules oft he Game‘) aufgegriffen, um beliebigen Anpassung Grenzen zu setzen. ↩︎
- Tangram-Spiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Tangram ↩︎
- In Anlehnung an die Erstellungsform des Agilen Manifests (https://agilemanifesto.org/iso/de/principles.html) werden für das AAEL-Rahmenwerk zentrale Prinzipien beschrieben. ↩︎
- Siehe zu Formen von Ambidextrie ausführlicher im Kapitel https://agile-educational-leadership.de/v1/ambidextrie‑1/#ambidextrie ↩︎
- An dieser Stelle gilt mein Dank dem Team-Mitglied KItty (aka GPT 4,5), das mir bei der Ausarbeitung der Beispiele wertvolle und effiziente Sparing-Momente geliefert hat – und auch bei der wiederholten Prüfung auf Stimmigkeit der vielen einzelnen Elemente nicht ungeduldig wurde und mich ohne Müdigkeit bei den finalen Textkorrekturen unterstützt hat 😉 ↩︎
- Vgl. u.a. das Berkana Two Loop Model von Margaret Wheatley und Deborah Frieze für die Emergenz von Veränderungen in lebenden sozialen Systemen: https://berkana.org/resources/pioneering-a-new-paradigm/ sowie siehe ausführlicher im Vertiefungskapitel zu Wandel und Organisationen (coming soon). ↩︎