Agile Educational Leadership — Auf dem Weg zum Rahmenwerk 1.0

Lese­zeit: 25 Minu­ten

Hin­weis (15.02.2024): Letz­te Aktua­li­sie­rung am 23.09.2021 (Chan­ge­log). Die­se Sei­te wur­de durch eine aktu­el­le Ver­si­on abge­löst und steht hier bis auf Wei­te­res als Archiv für das AEL-Buch Ver­si­on 1.0 zur wei­te­ren Verfügung.

“The real role of lea­der­ship in edu­ca­ti­on (…) is cli­ma­te con­trol, crea­ting a cli­ma­te of pos­si­bi­li­ty. And if you do that, peo­p­le will rise to it and achie­ve things that you com­ple­te­ly did not anti­ci­pa­te and could­n’t have expected”. 

Sir Ken Robin­son (2017)1

Die nun­mehr vor­lie­gen­de Ver­si­on 1.0 zum Ansatz Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship ist zugleich auch der ers­te Ent­wick­lungs­schritt hin zu einem trans­dis­zi­pli­nä­ren Rah­men­werk Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship

Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship als ein Rah­men­werk soll dazu bei­tra­gen, mit den fort­wäh­ren­den Ent­wick­lun­gen des (Hochschul-)Bildungsbereichs mit sei­nen dyna­mi­schen Kon­text­be­din­gun­gen und (hoch)komplexen gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen zukunfts­ori­en­tiert umge­hen und hand­lungs­fä­hig blei­ben zu können. 

Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship wird von der Grund­idee getra­gen, dass sich eine auf agi­len Wer­ten und Prin­zi­pi­en basie­ren­de Hal­tung (Mind­set) als Leader_in im Sin­ne eines spe­zi­fi­schen agi­len Lea­der­ships auf den (Hochschul-)Bildungsbereich adap­tie­ren lässt. Hier­bei steht der Hoch­schul­bil­dungs­be­reich zwar im Fokus, doch las­sen sich vie­le Aspek­te für Bil­dung und ihre Berei­che in je spe­zi­fi­scher Wei­se übernehmen. 

Bereits im Auf­takt zu die­sem Buch war es mir wich­tig mit Hil­fe des Gol­den Cir­cles von Simon Sinek zu illus­trie­ren, dass Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship als bis­her kon­zep­tio­nel­ler Zugang im Sin­ne eines How ein mög­li­cher stra­te­gi­scher Ansatz­punkt sein könn­te – und ver­mut­lich nicht der ein­zi­ge –, um den Bil­dungs­be­reich mit her­vor­ge­ho­be­nem Blick auf die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on und unter den Bedin­gun­gen einer Kul­tur der Digi­ta­li­tät gemein­sam anders als bis­her zu gestal­ten und auf brei­ter Basis ent­lang agi­ler Wer­te und eines agi­len Mind­sets par­ti­zi­pa­tiv und selbst­or­ga­ni­siert zu entwickeln. 

Agi­les Vor­ge­hen und eine zukünf­ti­ge gemein­sa­me, par­ti­zi­pa­ti­ve wie auch selbst­or­ga­ni­sier­te (Weiter-)Entwicklung von Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship als Rah­men­werk sind auch mit die­ser frei und offen ver­füg­ba­ren Online-Res­sour­ce in Form eines ers­ten Mini­mal Via­ble Pro­ducts (MVP) inten­diert. Was damit genau gemeint ist und wel­che Fol­gen das für die wei­te­re Ent­wick­lung von Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship hat, wird nach­fol­gend mit Blick auf das ange­streb­te Rah­men­werk eben­so beschrie­ben, wie Ver­bin­dun­gen und kri­ti­sche Refle­xio­nen vor­ge­nom­men wer­den. Die­ses Kapi­tel schließt mit einem Aus­blick auf das nächs­te MVP zum AEL-Rahmenwerk. 

Bild­li­zenz2

[Hin­weis: Soll­te die Medi­en­da­tei in Ihrem Brow­ser nicht kor­rekt ange­zeigt wer­den, kön­nen alle Pod­cast-Kapi­tel zum AEL-Buch Ver­si­on 1.0 auch direkt hier ange­hört werden.]

Ein Rahmen und doch noch kein Rahmen

Ein ers­tes kon­zep­tio­nel­les Mini­mal Via­ble Pro­duct (MVP) (sie­he3 oder aus­führ­li­cher begrün­det bei Ries, 20094 ) liegt nun vor – genau genom­men also das MVP in Ver­si­on 1.0 des Ansat­zes und trans­dis­zi­pli­nä­ren Rah­men­werks Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship

Das MVP Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship 
Das Ver­ständ­nis eines MVP aus dem Lean-Manage­ment wird hier adap­tiert: Mit der Ver­si­on 1.0 des AEL-Buchs liegt ein ers­tes benutz­ba­res Pro­dukt und zugleich Ergeb­nis eines Erkennt­nis- und Trans­fer­pro­zes­ses vor. Es ist funk­ti­ons­fä­hig und sofort als Online-Res­sour­ce mit zusätz­li­cher Pod­cast-Funk­ti­on ver­wend­bar, die Grund­idee der Ziel­set­zung wird erfahr­bar gemacht und die kon­zep­tio­nel­le Basis wird auf­ge­zeigt, um mög­lichst schnell im Ent­ste­hungs­pro­zess Feed­back von inter­es­sier­ten Per­so­nen und kon­kre­ten Stakeholder_innen ein­zu­ho­len. Die­ses Feed­back kann auf­zei­gen, dass die Rich­tung stimmt, dass bestimm­te Aspek­te unbe­dingt aus­ge­baut wer­den soll­ten oder bereits an ande­rer Stel­le vor­lie­gen und inte­griert wer­den soll­ten – oder auch, dass Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship abso­lut unbrauch­bar ist. In jedem Fall ist jedes Feed­back hilf­reich, für die wei­te­re gemein­sa­me Ent­wick­lung von Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship und ganz grund­sätz­lich die gemein­sa­me Ent­schei­dung, ob sich das Dran­blei­ben lohnt. 

Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship als Rah­men­werk 
Ein Rah­men­werk ist als Dach zu ver­ste­hen, unter dem sich ver­schie­de­ne Akti­vi­tä­ten einen las­sen, die sich auf einen gemein­sa­men Refe­renz­rah­men ver­stän­digt haben. Wie eng oder weit die­ser Refe­renz­rah­men gezo­gen wird, wel­che Akti­vi­tä­ten und wel­che Aktuer_innen letzt­lich dar­un­ter gefasst wer­den, ist hier­bei ein offe­ner und ste­tig neu zu ver­han­deln­der Pro­zess. Ein Rah­men­werk ist nicht dog­ma­tisch zu ver­ste­hen, sorgt aber für den ver­bind­li­chen, gemein­sa­men roten Faden in der Plu­ra­li­tät mög­li­cher Aus­le­gun­gen und Umset­zun­gen. Oder um bei Sin­eks Gol­den Cir­cle zu blei­ben, wäre das jeweils kon­kre­te What inner­halb des trans­dis­zi­pli­nä­ren Rah­mens Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship noch zu entwickeln. 

Ent­spre­chend han­delt es sich beim Rah­men­werk Agi­le Educ­tion­al Lea­der­ship nicht um eine kla­re Metho­de oder eine bestimm­te rezept­ar­ti­ge Vor­ge­hens­wei­se, ähn­lich wie es bei­spiels­wei­se vom Rah­men­werk Scrum5 bekannt ist oder beim IATF-Frame­work (Inte­gral Agi­le Trans­for­ma­ti­on Frame­work)6 zu fin­den ist. Der­zeit ver­bin­det die Ver­si­on 1.0 des MVP Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship mit Blick auf das Ziel eines trans­dis­zi­pli­nä­ren Rah­men­werks Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship für den spe­zi­fi­schen Bereich der (Hochschul-)Bildung adap­tier­te Kon­zep­te, Ansät­ze und Metho­den aus unter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen und der Praxis. 

Was das Beson­de­re eines Rah­men­werks aus­macht, ist, dass die­ses nicht sta­tisch ist oder sta­tisch sein soll. Die Stär­ke eines Rah­men­werks liegt dar­in, dass sich die jeweils gel­ten­de Ver­si­on wie­der­holt einem kri­ti­schen Review unter­zieht und von Zeit zu Zeit Anpas­sun­gen vor­ge­nom­men wer­den kön­nen, die zu den Anfor­de­run­gen der jewei­li­gen Zeit und Bedar­fe pas­sen (sie­he bei­spiels­wei­se die letz­te Ver­sio­nie­rung des Rah­men­werks Scrum mit sei­nen Ver­än­de­run­gen im Takt von jeweils 2 – 3 Jah­ren)7. Aus­ge­hend vom agi­len Wert sich stän­dig zu ver­bes­sern, wird auf die­se Wei­se also auch dem agi­len Prin­zip der stän­di­gen Über­prü­fung und Anpas­sung gefolgt, indem ein fort­lau­fen­des öffent­li­ches Review des frei und offen zugäng­li­chen Rah­men­werks ermög­licht wird. Dass sich die agi­len Prin­zi­pi­en hier auch mit denen guter wis­sen­schaft­li­cher Pra­xis, wie vor allem das Fal­si­fi­ka­ti­ons­prin­zip, Review­tä­tig­keit der Fach­com­mu­ni­ty sowie neu­er­dings Open Access, über­schnei­den, erscheint fast selbst­ver­ständ­lich, soll hier aber der Voll­stän­dig­keit hal­ber aus­drück­lich erwähnt werden. 

Vor die­sem Hin­ter­grund erscheint es nur fol­ge­rich­tig, dass Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship an die­ser Stel­le noch nicht als voll­stän­dig aus­ge­ar­bei­te­tes, theo­re­tisch hin­rei­chend begrün­de­tes sowie in der viel­fäl­ti­gen (Hochschul-)Bildungspraxis erprob­tes trans­dis­zi­pli­nä­res Rah­men­werk vorliegt. 

Verbindungen und Reflexionen

Wenn­gleich ein trans­dis­zi­pli­nä­res Rah­men­werk Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship das Ziel ist, so sind mit die­ser Ver­si­on 1.0 des Ansat­zes in Form des AEL-Buchs bereits über die bis­her erschie­ne­nen Kapi­tel ers­te Zusam­men­hän­ge oder Rela­tio­nen auf­ge­zeigt wor­den. Nach­fol­gend wer­den exem­pla­ri­sche wich­ti­ge Ver­bin­dun­gen nach­ge­zeich­net und kri­tisch reflek­tiert. Dabei ist mei­ne Per­spek­ti­ve pri­mär die einer Bil­dungs­wis­sen­schaft­le­rin, wenn ich mich nach­fol­gend an den drei nahe lie­gen­den Fokus­sen ori­en­tie­re: das A wie Agi­li­tät, das E wie Edu­ca­tio­nal und das L wie Lea­der­ship. 

Zum A in AEL 
Der Begriff Agi­li­tät hat mit zuneh­men­den Über­le­gun­gen und Aus­tausch im Zusam­men­hang von Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship eine rich­tungs­wei­sen­de Posi­ti­on ein­ge­nom­men – und damit ursprüng­li­che Über­le­gun­gen wie ein Digi­tal Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship über­la­gert und inte­griert, wenn nun­mehr von einem trans­dis­zi­pli­nä­ren Rah­men­werk Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship unter den Bedin­gun­gen der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on und einer Kul­tur der Digi­ta­li­tät gespro­chen wird. Dabei steht Agi­le sowohl für eine Ori­en­tie­rung an agi­len Wer­ten und einem agi­len Mind­set (being agi­le), wie auch vor die­sem Hin­ter­grund und aus die­ser Per­spek­ti­ve situa­tiv zu ent­schei­den, wie ich mich als Per­son selbst, mit ande­ren Per­so­nen zusam­men oder in der und mit der Orga­ni­sa­ti­on und den mit ihr und dem Vor­ha­ben ver­bun­de­nen Zie­len pas­send bewe­gen und ent­wi­ckeln kann (doing agi­le). Agil zu sein und Ver­än­de­rung im Sin­ne einer ver­bes­sern­den Wei­ter­ent­wick­lung zu durch­lau­fen, wird auch für das Rah­men­werk Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship selbst angestrebt. 

Rol­len und Zustän­dig­kei­ten 
Es wird hier stark Bezug genom­men auf die Sub­jek­te oder Per­so­nen in ihren jewei­li­gen Berei­chen in einer Bil­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on – und damit ist expli­zit nicht ihre Zustän­dig­keit oder ihre Funk­ti­on gemeint. Der Fokus liegt auf den unter­schied­lichs­ten Hand­lungs­be­rei­chen in dem jede Per­son für sich Gestal­tungs­räu­me oder in Abstim­mung mit den Per­so­nen um sie her­um sieht. Die Fra­ge ist hier nicht, wel­che Funk­ti­on und Steue­rungs- und Kon­troll­auf­ga­be habe ich über­tra­gen bekom­men, son­dern wel­che Ver­ant­wor­tung möch­te ich für mei­nen eige­nen Hand­lungs­be­reich in wel­cher Wei­se über­neh­men und wel­cher Rah­men unter­stützt mich dabei. In einem sys­te­mi­schen Sin­ne, dass nicht eine Per­son allein eine Orga­ni­sa­ti­on mit ihrer Kul­tur ver­än­dern kann, doch jede ein­zel­ne Per­son durch ihr Ver­hal­ten bereits ande­re oder alter­na­ti­ve Ver­hal­tens­wei­sen begin­nen kann zu kul­ti­vie­ren, ist auch die Per­so­nen­ori­en­tie­rung im Ansatz Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship gedacht. Hier­bei spielt auch die Per­spek­ti­ve von lebens­lan­gem Ler­nen und Bil­dung rein: Eman­zi­pa­ti­on und Auto­no­mie­er­le­ben sind grund­le­gend für die per­sön­li­che Wei­ter­ent­wick­lung, wie auch das Aus­ein­an­der­set­zen mit (heraus-)fordernden Situa­tio­nen jen­seits von Rou­ti­nen zur per­sön­li­chen Trans­for­ma­ti­on und eige­nem Wachs­tum bei­tra­gen kann. Im Grun­de steckt die Idee von Bil­dung auch in der trans­for­ma­tio­na­len Lea­der­ship-Per­spek­ti­ve und in beson­de­rer Wei­se in per­so­nen­be­zo­ge­nen Ansät­zen wie es beim Agi­le Lea­der­ship der Fall ist. Denn hier wird zwar wie­der­holt beson­ders eine Per­so­nen­grup­pe her­vor­ge­ho­ben, wenn von den Inter­es­sen der Kund_innen oder Stakeholder_innen gespro­chen wird, doch wird zugleich die Wich­tig­keit der agi­len Teams und ihr gutes Mit­ein­an­der mit guter Kom­mu­ni­ka­ti­on und Inter­ak­ti­on auch her­vor­ge­ho­ben. Kri­tisch ist zu sehen, dass der Grund für ein agi­les Team nie ein Selbst­zweck ist und daher das Erstel­len oder Ent­wi­ckeln eines Pro­dukts den Anlass des Zusam­men­kom­mens bil­det – doch wird hier zugleich deut­lich, dass die Arbeit, die Leis­tung oder das Werk, das das Team gemein­sam erbringt oder erschafft, immer rela­tio­nal zur Ent­wick­lung im Sin­ne von Empower­ment oder Ermög­li­chung von Wachs­tum der Team­mit­glie­der entsteht. 

Agi­le Wer­te und agi­les Mind­set 
Die agi­len Wer­te kön­nen über die 4 Wer­te aus dem agi­len Mani­fest hin­aus auch brei­ter betrach­tet wer­den. Aus­ge­hend von den 5 Wer­ten, die mit dem Scrum-Rah­men­werk als fes­te Grö­ße in die Dis­kus­si­on Ein­zug gehal­ten haben, wozu Offen­heit bzw. Trans­pa­renz, Mut bzw. Ermu­ti­gen und Respekt, Fokus wie auch Com­mit­ment zäh­len, las­sen sich dar­über hin­aus wei­te­re Wer­te for­mu­lie­ren. Zen­tral erscheint hier­bei gera­de für den Bil­dungs­be­reich, der auch einen demo­kra­ti­schen Bil­dungs­auf­trag für eine plu­ra­le Gesell­schaft zu erfül­len hat, die gro­ße Über­schnei­dung bei Wer­ten wie Kom­mu­ni­ka­ti­on, Ver­ant­wor­tung und Offen­heit wie auch Diver­si­tät und Mut. 

Es wird hier davon aus­ge­gan­gen, dass die Anwen­dung von Metho­den und Prak­ti­ken zwar trai­niert wer­den kön­nen, doch die­se ihre vol­le Wirk­sam­keit – auch auf der Bezie­hungs­ebe­ne – erst ent­fal­ten kön­nen, wenn für alle ersicht­lich ist, dass ein being agi­le für das doing agi­le die trei­ben­de Kraft in einer Per­son ist. Nur mit gewach­se­ner inne­rer Über­zeu­gung und Hal­tung lässt sich daher ein authen­ti­sches doing agi­le kul­ti­vie­ren. Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me und Ver­trau­en las­sen sich nicht ein­fach ver­ord­nen oder von heu­te auf mor­gen im Team als neue Team­re­gel beschlie­ßen. Die­se sehr emp­find­li­chen Wer­te kön­nen sich nur ent­wi­ckeln, wenn kri­tisch reflek­tiert wird, wie das Macht­ge­fü­ge und eine tat­säch­li­che Offen­heit im Team und in der Orga­ni­sa­ti­on ein­zu­ord­nen sind. Hier­bei stel­len sich wich­ti­ge Fra­gen, wie bei­spiels­wei­se die­se Art der Zusam­men­ar­beit netz­werk­ori­en­tier­tes Arbei­ten unter­stüt­zen kann und wie das mit­un­ter auch neben ande­ren, klas­si­schen lini­en­ar­ti­gen For­men der Zusam­men­ar­beit gelin­gen kann. 

Zum E in AEL 
Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship will dazu bei­tra­gen den (Hochschul-)Bildungsbereich mit Per­spek­ti­ve auf die Per­so­nen, die Kul­tur und die Bil­dungs­or­ga­ni­sa­tio­nen gemein­sam weiterzuentwickeln. 

Beson­der­heit Bil­dungs­be­reich 
Es ist eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung, denn das über Jahr­zehn­te gewach­se­ne (Hochschul-)Bildungssystem mit sei­nen Zustän­dig­kei­ten zwi­schen Bund, Län­der und Kom­mu­nen sowie Funk­tio­nen und Hier­ar­chien des öffent­li­chen Diens­tes erscheint in der exter­nen Betrach­tung zumeist sehr sta­tisch. Zugleich füh­ren Neue­rung, man den­ke hier nur an die Digi­ta­li­sie­rung, immer wie­der vor Augen, dass es eini­gen Stand­or­ten sehr gut gelingt, die­se für sich pas­send zu inte­grie­ren und zu adap­tie­ren und ande­re hier sehr lan­ge Anlauf­zei­ten benö­ti­gen. Das Bei­spiel Unter­richt und Leh­re zeigt es der­zeit ein­drück­lich: Die aktu­el­le Pan­de­mie-Situa­ti­on nach nun­mehr 1,5 Jah­ren und die brei­te Sor­ge vor dem Start nach den Som­mer­fe­ri­en bzw. nach der vor­le­sungs­frei­en Zeit im Herbst zeigt öffent­lich wahr­nehm­bar deut­lich auf, wel­che Bil­dungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und Per­so­nen der­zeit hohes Zutrau­en von ihren Ziel­grup­pen und Akteur_innen genie­ßen und wo Skep­sis über­wiegt. Es scheint also mög­lich zu sein, durch Impul­se von außen und Enga­ge­ment und Krea­ti­vi­tät aus dem Inne­ren her­aus mit spe­zi­fi­schen Ver­än­de­run­gen begin­nen zu können. 

Die Her­aus­for­de­rung einer Adap­ti­on von Agi­li­tät und Lea­der­ship auf den deut­schen Bil­dungs­be­reich mit sei­nen Beson­der­hei­ten besteht vor allem in sei­nen Rah­men­be­din­gun­gen. Die öffent­li­che Finan­zie­rung und damit die Unab­hän­gig­keit von wirt­schaft­li­chen Anfor­de­run­gen, führt mit­un­ter dazu stär­ker als Insti­tu­ti­on mit sei­nen Tra­di­tio­nen, denn als Bil­dungs­or­ga­ni­sa­tio­nen im Kon­text einer dyna­mi­schen VUCA-Welt wahr­ge­nom­men zu wer­den. Gera­de mit Blick auf den Bil­dungs­be­reich und mit beson­de­rem Fokus auf den sich auch stär­ker ent­wi­ckeln­den Markt der Hoch­schul­bil­dung oder all­ge­mei­ner aka­de­mi­schen Bil­dung stellt sich nach wie vor die Fra­ge, ob die­ser es sich erlau­ben kann, auf einen zeit­ge­mä­ßen oder für die­se dyna­mi­schen Zei­ten pas­sen­den Orga­ni­sa­ti­ons- und Inter­ak­ti­ons­rah­men für Bil­dungs­an­ge­bo­te und Akteur_innen ver­zich­ten zu kön­nen und zu wollen? 

Fokus Per­so­nen 
Mit sei­ner pri­mä­ren Ori­en­tie­rung an Wer­ten für die gemein­sa­me Inter­ak­ti­on und Kom­mu­ni­ka­ti­on setzt Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship vor allem diver­si­täts­sen­si­bel bei den Per­so­nen als Gestal­ten­de ihrer Orga­ni­sa­ti­on und damit ihres (Bildungs-)Systems an. Sie sind die Akteuer_innen, die in den unter­schied­li­chen Berei­chen aus der Mit­te der Orga­ni­sa­ti­on mit dem Wis­sen einer orga­ni­sa­tio­na­len Ambi­dex­trie im Sin­ne eines lebens­lan­gen Ler­nens den Wan­del der Lehr- und Lern­kul­tur ein­schließ­lich der Prü­fungs­kul­tur vor­an­brin­gen kön­nen. Sie sind auch die­je­ni­gen, die dezen­tral ent­lang hori­zon­ta­ler, netz­werk­ar­ti­ger Struk­tu­ren Impul­se für ver­än­der­te For­men der Zusam­men­ar­beit mit kurz­fris­ti­gen Ite­ra­tio­nen geben kön­nen und pas­sen­de Arbeits­wei­sen zwi­schen den Berei­chen ent­wi­ckeln kön­nen. Und sie sind die Per­so­nen, die eine Kul­tur der Ermög­li­chung mit­ein­an­der auf­bau­en und leben kön­nen – mit dem Ziel einer stär­ke­ren Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on, die deut­lich über Par­ti­zi­pa­ti­on und eines damit ein­her­ge­hen­den Empowerm­ents hin­aus­ge­hen kann. 

So sehr in die­ser Ent­wick­lung die Chan­ce auf einer per­sön­li­chen Ent­wick­lung liegt, so anstren­gend wird die­ser Pro­zess auch für die Ein­zel­nen wer­den kön­nen. Denn ein Com­mit­ment für agi­le Wer­te und Arbeits­wei­sen, erfor­dert es zugleich, sich fort­wäh­rend in einen Aus­tausch zu bege­ben, wie auch selbst Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und Ver­ant­wor­tung mit zuüber­neh­men, um gemein­sam eine Kul­tur der Wert­schät­zung und Kom­mu­ni­ka­ti­on auf Augen­hö­he zu verstärken. 

Pro­zess und Pro­dukt 
Der beschrie­be­ne Pro­zess und die Per­so­nen, die für die­sen Ver­ant­wor­tung über­nom­men haben, erhal­ten mit der agi­len Per­spek­ti­ve eine grö­ße­re Bedeu­tung als allein, dass ein Pro­dukt frist­ge­recht erstellt wur­de. Eine ähn­li­che Dua­li­tät zwi­schen Pro­zess und Pro­dukt lie­ße sich auch im Bil­dungs­be­reich auf­ma­chen. Gera­de auf der Mikroebe­ne der Leh­re lässt sich die­ses in Ana­lo­gie anschau­lich dar­stel­len, wenn es einer­seits um for­ma­ti­ve Betrach­tun­gen von Lern­pro­zes­sen (z.B. das ite­ra­tiv pro­du­zier­te E‑Portfolio oder pro­jekt- wie for­schungs­ori­en­tier­tes Ler­nen) oder ande­rer­seits um sum­ma­ti­ve Betrach­tun­gen der Ergeb­nis­se an einem Stich­tag (z.B. die Klau­sur oder das Refe­rat) geht. Im Kon­text der E‑Port­fo­lio-Arbeit wird berech­tig­ter­wei­se kri­tisch auf den schma­len Grat zu einer mit­un­ter stär­ker neo­li­be­ral moti­vier­ten Ver­la­ge­rung der kom­plet­ten Ver­ant­wor­tung für den eige­nen Lern­pro­zess und Bil­dungs­er­folg auf das Sub­jekt hin­ge­wie­sen, wenn die Ambi­va­lenz von Selbst-Tech­ni­ken reflek­tiert wird (sie­he bei­spiels­wei­se die Bei­trä­ge unter Ansich­ten in Mey­er et al., 2011)8 – eine Dis­kus­si­on, die sich eine Gestal­tung von Lern­um­ge­bun­gen, die auf Trans­pa­renz und Selbst- statt Fremd­kon­trol­le set­zen, fort­wäh­rend auch heu­te noch stel­len las­sen muss und beant­wor­tet wer­den soll­te. Die­se Dis­kus­si­on ist auch für agi­le Leh­re zu bedenken. 

So ist es häu­fig eine Fra­ge der Lehr‑, Lern- und Prü­fungs­kul­tur sowie die damit ein­her­ge­hen­de Bezie­hungs­ge­stal­tung, wel­che Qua­li­tät ein Pro­zess hat und inwie­fern die­ser zu einem bes­se­ren Pro­dukt bei­tra­gen kann. In die­sem Fall stellt das Pro­dukt aus Per­spek­ti­ve der Sub­jek­te den per­sön­li­chen Lern­pro­zess jeder Per­son oder aus Per­spek­ti­ve der Orga­ni­sa­ti­on, die Erfül­lung der Anfor­de­run­gen erfolg­rei­che Bil­dungs­ab­schlüs­se in der vor­ge­se­he­nen Zeit zu ermöglichen. 

Agi­le Leh­re  
Agi­les Ler­nen und Stu­die­ren ist im Bil­dungs­be­reich der­zeit der Anker­punkt über den ein häu­fi­ger Zugang zur Agi­li­tät pas­siert — wenn­gleich der Ein­druck ent­steht, dass hier das doing agi­le, also die Fra­ge der Metho­den zuerst ein­mal etwas stär­ker betont wird. Die agi­len Wer­te und das agi­le Mind­set wer­den aller­dings von den Per­so­nen stär­ker her­aus­ge­stellt, die, so ein wei­te­rer Ein­druck der Dis­kus­si­on, bereits zuvor schon mit pro­gres­si­ven, offe­nen und eher ler­nend­ori­en­tier­ten päd­ago­gi­schen und didak­ti­schen Ansät­zen gear­bei­tet und expe­ri­men­tiert haben. Die­se Per­so­nen wer­den ver­mut­lich nicht so viel Neu­es in agi­len Ansät­zen und Adap­tio­nen von Scrum für die Leh­re ent­de­cken, kön­nen sie aber den­noch um neue­re Kon­zep­te ergän­zen und so die Viel­falt der pro­zess­ori­en­tier­ten Metho­den erwei­tern. Mit Blick auf 21st Cen­tu­ry Skills wie auch soge­nann­te Future Skills kann man sicher argu­men­tie­ren, dass allein die Kennt­nis agi­ler Arbeits­wei­sen und Prin­zi­pi­en eine wich­ti­ge Kom­pe­tenz an sich darstellt. 

Adap­tiert auf den Kon­text Edu­ca­tio­nal, ermög­li­chen agi­le Metho­den für die Leh­re und den Unter­richt aus didak­ti­scher und erzie­hungs­wis­sen­schaft­li­cher Sicht bei­spiels­wei­se, dass sich die Akteur_innen mit der Über­nah­me unter­schied­li­cher Rol­len und Ver­ant­wort­lich­kei­ten aus­ein­an­der­set­zen kön­nen (ähn­lich des offe­nen Unter­richts). Eben­so bie­ten sie einen geeig­ne­ten Rah­men, um Bezie­hungs­kon­stel­la­tio­nen mit Blick auf die Macht­ver­tei­lung zwi­schen Leh­ren­den und Ler­nen­den im Lehr- und Lern­pro­zess gemein­sam und offen zu reflek­tie­ren. Beson­ders in der Per­spek­ti­ve cross­funk­tio­na­ler Teams liegt mit Blick auf nach wie vor hete­ro­ge­ne Lern­grup­pen und ihre Zusam­men­ar­beit im Zuge agi­ler Leh­re die Chan­ce, Fra­gen von Ungleich­heit wie auch tat­säch­li­cher Inklu­si­on und Par­ti­zi­pa­ti­on im Kon­text zu reflektieren. 

Lern­kul­tur statt Feh­ler­kul­tur 
Eine Per­spek­ti­ve zwi­schen Pro­zess und Pro­dukt lässt auch sehr gut ver­deut­li­chen, war­um es char­mant anmu­tet von einer Feh­ler­kul­tur zu spre­chen und von les­sons lear­ned; doch wäre es aus einer sub­jekt­ori­en­tier­ten Per­spek­ti­ve und dem Anspruch, dass ein lebens­lan­ges Ler­nen völ­lig nor­mal ist, über­haupt nicht nötig von Feh­lern oder Feh­ler­kul­tur zu spre­chen, die zumeist auf extern defi­nier­ten Kri­te­ri­en beru­hen, son­dern von sub­jek­ti­ven Lern- und Bil­dungs­pro­zes­sen. Doch das ist bereits eine Fra­ge von Wer­ten und dem Bild von Ler­nen und den Ler­nen­den, das jeweils vor­herrscht. Denn aus bil­dungs­theo­re­ti­scher Sicht wird mit­un­ter von für eine Per­son kri­sen­haf­ten Situa­tio­nen gespro­chen, deren Über­win­dung dazu bei­tra­gen kann, sich per­sön­lich und fach­lich zu bil­den. Doch die­se (Bildungs-)Krise hängt mit der Sozia­li­sa­ti­on und Bio­gra­phie jeder Per­son zusam­men — für den einen sind nur 98% des erreich­ten Ziels bereits eine Kri­se, wäh­rend für eine ande­re Per­son 80% gut genug sind. Den ent­spre­chen­den Betrach­tungs­rah­men für die­se Per­spek­ti­ven bie­tet in jedem Fall das Set an Wer­ten, das jede Per­son mit­bringt und das im jewei­li­gen Bereich oder der Orga­ni­sa­ti­on gelegt und kul­ti­viert wird. Agi­le Wer­te neh­men hier sowohl die Per­son in ihrer Ent­wick­lung als auch den Wert einer guten Zusam­men­ar­beit über Par­ti­zi­pa­ti­on bis dar­über hin­aus zur Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on in den Blick; sie stel­len in den vor­lie­gen­den Lea­der­ship-Per­spek­ti­ven die Sicht dar, die mit pro­gres­si­ven Ver­ständ­nis­sen von Bil­dung, Ler­nen und Leh­ren gro­ße Über­schnei­dun­gen aufweisen. 

Agi­le (Bildungs-)Organisation 
Auch wenn Agi­li­tät im deut­schen Bil­dungs­be­reich zuneh­mend erprobt wird und eine kon­zep­tio­nel­le und theo­re­ti­sche Refle­xi­on von Agi­li­tät für den (eige­nen) Bil­dungs­be­reich beginnt, so steht die­se Aus­ein­an­der­set­zung erst am Anfang. Die­se im Grun­de gar nicht so neu­en, doch für den Bil­dungs­be­reich neu auf­ge­grif­fe­nen Ent­wick­lun­gen mit Blick auf agi­les Ler­nen und agi­le Orga­ni­sa­tio­nen des­halb noch nicht brei­ter zu berück­sich­ti­gen, könn­te rück­bli­ckend auch ein Ver­säum­nis sein. 

Am Bei­spiel der Hoch­schu­le soll daher die berech­tig­te Fra­ge der Pas­sung und Nicht-Pas­sung von Agi­li­tät in der Hoch­schul­or­ga­ni­sa­ti­on ver­tieft wer­den – auch weil es sich hier um Ein­schät­zun­gen zur Pas­sung han­delt, die ver­mut­lich so oder in ähn­li­cher Wei­se auch an ande­ren Stel­len vor­ge­tra­gen wer­den.
So kommt Bae­cker bereits 2017 mit sei­nem Bei­trag zu der Ein­schät­zung: „Das Stich­wort Agi­li­tät erwischt die Hoch­schu­len somit gleich dop­pelt auf dem fal­schen Fuß. (…) Aber das Feld ist bereit“ (Bae­cker, 2017, S. 20)9. Bae­cker ver­tritt die The­se, dass Hoch­schu­len zumin­dest auf eine Form agi­len Manage­ments bereits vor­be­rei­tet sind, weil sie sie tra­di­tio­nell immer schon betrie­ben haben (ebd., S.22)9, wenn er agi­les Manage­ment wie folgt beschreibt und zugleich betont, das unbe­nom­men des­sen noch wei­te­rer Hand­lungs­be­darf an Hoch­schu­len bestünde: 

„Agi­li­tät lässt sich für Zwe­cke der Hoch­schu­le als ein Manage­ment­kon­zept ver­ste­hen, in dem die Aner­ken­nung, Pfle­ge und Ent­wick­lung des Eigen­sinns von Fakul­tä­ten, Lehr­stüh­len und Mit­ar­bei­ter­stel­len durch die Ein­rich­tung von Rück­kopp­lun­gen kon­di­tio­niert und kon­trol­liert wird, die die­sen Eigen­sinn mit Auf­ga­ben­stel­lun­gen kom­bi­nie­ren, die von Außen kom­men. Die Defi­ni­ti­on und Mode­ra­ti­on des­sen, was unter einem Außen ver­stan­den wird, ist die vor­nehms­te Auf­ga­be der Hoch­schul­lei­tung, die unter den ver­schie­de­nen Kan­di­da­ten für die­ses Außen, etwa Stu­di­en­be­wer­bern, Stand der Wis­sen­schaft und Anfra­gen von Auf­sichts­be­hör­den, eine Innen bewäl­tig­ba­re Balan­ce fin­den muss“ (Bae­cker, 2017, S. 22)9.

Es wird hier bereits deut­lich, dass Bae­cker von einem agi­len Manage­ment spricht und die Hoch­schul­lei­tun­gen adres­siert und weni­ger die Lea­der­ship-Per­spek­ti­ve nach vor­ne stellt. Doch stellt er wei­ter her­aus, dass die Balan­ce zwi­schen unter­schied­li­chen ver­ti­kal her­an­ge­tra­ge­nen Ansprü­chen zwi­schen Innen und Außen zu hal­ten die domi­nie­ren­de Haupt­auf­ga­be in einer Hoch­schu­le dar­stellt – und hier­bei sind klas­si­sche Kon­kur­renz­si­tua­tio­nen mit dem (nicht nur inter­na­tio­na­len) pri­va­ten Markt der Ange­bo­te noch nicht ein­mal berück­sich­tigt. Inwie­fern agi­le Prin­zi­pi­en hier anschluss­fä­hig sind und wo genau die attes­tier­ten wei­te­ren Hand­lungs­be­dar­fe für ein spe­zi­fi­sches Agi­le Lea­der­ship im Kon­text der Hoch­schul­bil­dung lie­gen, blie­be kon­kret zu prü­fen. Von daher stellt sich bei­na­he schon die Fra­ge, ob nicht gar das Agi­le, das Dezen­tra­le und die ver­ti­ka­len Impul­se aus der und in die Gesell­schaft die eigent­li­che Tra­di­ti­on der Hoch­schu­len bil­de­ten? Die­se Fra­ge stellt sich nicht aus Per­spek­ti­ve von Wil­helm (2019)10, die Agi­li­tät in der Hoch­schu­le deut­lich kri­ti­siert und dabei vom Dilem­ma­ta agi­ler Orga­ni­sa­tio­nen spricht, wenn sie das Für und Wider agi­ler Hoch­schu­len in neun The­sen zusam­men­führt, von denen hier eini­ge exem­pla­risch skiz­ziert wer­den, da sich häu­fi­ger zu hören­de Argu­men­te dar­in fin­den. Sie stellt her­aus, dass weder die zuneh­men­de Kom­ple­xi­tät noch die Prin­zi­pi­en der Agi­li­tät neu sei­en und Ent­wick­lungs­dy­na­mi­ken der­zeit dra­ma­ti­siert wür­den; eben­so läge bis­her kei­ne über­zeu­gen­de Kon­zep­ti­on in der der­zei­ti­gen Manage­ment­li­te­ra­tur vor, die für Hoch­schu­len, pas­send wären: „The­re is no lar­ge orga­ni­sa­ti­on and no uni­ver­si­ty that mana­ges wit­hout a hier­ar­chy. Orga­ni­sa­ti­ons and uni­ver­si­ties are still based, to a con­sidera­ble ext­ent, on the hier­ar­chy prin­ci­ple and will do so in the future as well“ (Wil­helm, 2019, S. 74)10. Wil­helm spricht sich ganz klar auf Grund von Koor­di­na­ti­ons­pro­ble­men gegen eine Dezen­tra­li­sie­rung von Ent­schei­dungs­kom­pe­ten­zen an Hoch­schu­len und für star­ke Hoch­schul­lei­tun­gen aus. Hier­bei stellt sie die Ansicht her­aus, dass Hoch­schu­len ein Inno­va­ti­ons­pro­blem hät­ten, bezwei­felt aller­dings, dass sich die­ses via Agi­li­tät lösen lie­ße. Wil­helm merkt schließ­lich an, dass am Ende von der Idee von Agi­li­tät in ihren Augen allein der stär­ker regio­na­le Bezug in die Umge­bung blie­be und sie den Wert in Agi­li­tät dort sehe, wo Agi­li­tät eine Form sei, „is a mode to crea­te the envi­ron­ment rather than to adapt to it“ (Wil­helm, 2019, S. 76)10. Die Grün­de, wes­halb eine Sta­tus­ver­än­de­rung kaum mög­lich erschei­ne, wer­den zudem mit der The­se unter­mau­ert, dass agi­le Orga­ni­sa­tio­nen an einem Über­maß an inter­ner Unsi­cher­heit schei­ter­ten, da sie sich trotz hoher Fle­xi­bi­li­tät sta­bi­li­sie­ren wol­len wür­den und somit zu neu­en Macht­fel­dern und gar einem Kom­ple­xi­täts­di­lem­ma führen. 

Mit Blick auf die­se kri­ti­schen Ein­schät­zun­gen, die ver­mut­lich erst ein­mal auf brei­te­re Zustim­mung tref­fen, stellt sich die Fra­ge, woher die Sicher­heit genau kommt, dass eine struk­tu­rier­te Fle­xi­bi­li­tät, wie sie bei­spiels­wei­se das Rah­men­werk Scrum ermög­licht, zu Ent­schei­dungs­un­si­cher­hei­ten führt? 

Und ja, Agi­li­tät ist weder ein neu­es The­ma, noch ist der Hand­lungs­druck der­zeit gestie­gen — viel­mehr wird auf die­sen bereits seit Jahr­zehn­ten hin­ge­wie­sen. Die Fra­ge ist daher die nach unse­rem Zeit­ge­fühl und ob wir uns seit der Ein­füh­rung der Eisen­bahn im pas­sen­den Tem­po zu den gesell­schaft­li­chen Dyna­mi­ken bewe­gen? Dass gera­de die Per­so­nen in einer Orga­ni­sa­ti­on zwi­schen Eupho­rie und Wider­stän­dig­keit über die Ein­füh­rung agi­ler Pro­zes­se und Arbeits­wei­sen reagie­ren wer­den, ist in der Tat die gro­ße Her­aus­for­de­rung einer agi­len oder viel­mehr einer jeg­li­chen Trans­for­ma­ti­on. Die Fra­ge ist, ob das Bild einer Trans­for­ma­ti­ons­rei­se, also eines län­ge­ren gemein­sa­men Weges, denn einer Schal­ter­be­we­gung, ermu­ti­gen kann, bild­lich gespro­chen, die Rei­se­grup­pe mit inter­es­san­ten Erleb­nis­sen und Erfah­run­gen bei Lau­ne zu hal­ten? Denn eine agi­le Trans­for­ma­ti­on ver­folgt pri­mär eine evo­lu­tio­nä­re Grund­idee und kei­ne Zer­stö­re­ri­sche — ähn­lich, wie eine orga­ni­sa­tio­na­le Ambi­dex­trie die Modi der Explo­ra­ti­on und Explo­ita­ti­on neben­ein­an­der ent- und bestehen lie­ße. Wor­auf ein Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship bereits auf­bau­en könn­te, wäre ein Star­ten vom Sta­tus Quo aus und das Set­zen auf eine kol­lek­ti­ve Ver­än­de­rungs­be­reit­schaft, wie sie im Zuge der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on der Leh­re bereits als zen­tra­ler Erfolgs­fak­tor aus­ge­macht wur­de (sie­he Graf-Schlatt­mann et al., 2020)11. Die Fra­ge ist also, wie wir her­aus­fin­den kön­nen, ob (Hochschul-)Bildungsorganisationen auch ent­lang agi­ler Wer­te und Prin­zi­pi­en sowie der Frei­heit von For­schung und Leh­re ihren gesell­schaft­li­chen Auf­trag in Bil­dung, For­schung und Trans­fer erfül­len können. 

Zum L in AEL 
Das L in AEL steht für die Über­nah­me eines Agi­le Lea­der­ships im spe­zi­fi­schen Kon­text der (Hochschul-)Bildung. 

Über­nah­me von Lea­der­ship 
Bei Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship geht es im Kern um die Über­nah­me von Lea­der­ship – ganz bewusst im Sin­ne von Lea­der­ship vs. Manage­ment. Die Form von Lea­der­ship hier­bei geht noch­mals über das bekann­te situa­ti­ve Lea­der­ship hin­aus, weil die Ent­schei­dung der Situa­ti­ons­an­ge­mes­sen­heit mit ambi­dex­trem Blick auf die Bedar­fe von Explo­ita­ti­on und Explo­ra­ti­on vom Stand­punkt eines bzw. einer agi­len Leader_in mit ent­spre­chend agi­ler Hal­tung (Mind­set) getrof­fen wird. Dabei kann die Ver­ant­wor­tung für Ent­schei­dun­gen von allen betei­lig­ten Per­so­nen in ihren Rol­len für ihren Bereich über­nom­men wer­den — ganz im Sin­ne der erwähn­ten Per­spek­ti­ve einer Ori­en­tie­rung auf der Hori­zon­ta­len ent­lang Innen und Außen und vis-à-vis. Wich­tig ist hier­bei, dass ein Lea­der­ship ver­bun­den mit der Bereit­schaft und Fähig­keit Ver­ant­wor­tung über­neh­men zu wol­len und zu kön­nen unab­hän­gig von einer macht­vol­len Lei­tungs­funk­ti­on erfol­gen kann und sogar soll­te. So kann bei­spiels­wei­se im Hoch­schul­bil­dungs­be­reich für die Ent­wick­lung der Bil­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on je ein Lea­der­ship für den eige­nen Bereich oder einen bestimm­ten Bereich von den Ler­nen­den wie den Leh­ren­den bzw. Professor_innen, den Mit­ar­bei­ten­den in der Admi­nis­tra­ti­on sowie im soge­nann­ten Third Space wie auch in den unter­stüt­zen­den Ser­vices und nicht zuletzt als Rah­men in den Funk­tio­nen von Deka­na­ten und Hoch­schul­lei­tun­gen gelebt und unter­stützt wer­den. Per­spek­ti­visch kann sich Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship zu einer eige­nen Vari­an­te im Feld trans­for­ma­tio­na­ler Füh­rungs­sti­le entwickeln. 

Rei­fe­grad 
Beim Agi­le Lea­der­ship wird hier davon aus­ge­gan­gen, dass im Grun­de jeder und jede die­se Form des Lea­der­ships ent­wi­ckeln kann. Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship lebt wei­ter von der Idee und der Annah­me, dass jede Per­son in ihrem Umfeld Lea­der­ship über­neh­men und sich der (Hochschul-)Bildungsbereich so aus der Mit­te her­aus ent­wi­ckeln und per­spek­ti­visch ver­än­dern kön­ne (sie­he exem­pla­risch die zahl­rei­chen krea­ti­ven und sehr enga­gier­ten Per­so­nen im Bil­dungs­be­reich in der Leh­re, Admi­nis­tra­ti­on, For­schung oder in den wis­sen­schaft­li­chen Unter­stüt­zungs­sys­te­men, die durch pass­ge­naue Lösun­gen Pro­zes­se mit wei­tem Blick und in Abstim­mung bedarfs­ge­recht ent­wi­ckeln oder verbessern). 

Dahin­ter steht die erzie­hungs­wis­sen­schaft­li­che Per­spek­ti­ve der per­sön­li­chen Ent­wick­lung und des Wach­sens über einen (lan­gen) Zeit­raums. Im Grun­de kann Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship als Teil des (beruf­lich ori­en­tier­ten) lebens­lan­gen Lern­pro­zes­ses von Per­so­nen, die im Bil­dungs­be­reich tätig sind oder sich für die­sen enga­gie­ren, betrach­tet wer­den. Gutes Lea­der­ship hängt inso­fern nicht nur von einem Talent oder beson­de­ren Spi­rit ab, son­dern auch vom indi­vi­du­el­len Rei­fe­grad und einer Entwicklungsbereitschaft. 

Evo­lu­tio­nä­re Rei­fe­grad­mo­del­le sind nicht unge­wöhn­lich (sie­he bei­spiels­wei­se für medi­en­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen den Dig­Com­pE­du)12, doch wäre für ein Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship zu dis­ku­tie­ren, inwie­fern es sich hier um ein Stu­fen­mo­dell ent­lang von Wachs­tums­schrit­ten oder ein Kreis­mo­dell mit ganz­heit­li­cher Sicht han­delt, bei dem die ein­zel­nen noch fest­zu­le­gen­den Hand­lungs- und Kom­pe­tenz­be­rei­che von Agi­le Lea­der­ship für den Bil­dungs­be­reich glei­cher­ma­ßen wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Mit Blick auf eine orga­ni­sa­tio­na­le Ambi­dex­trie und der Sen­si­bi­li­tät wie auch Hand­lungs­fä­hig­keit für zwei par­al­lel lau­fen­de Betriebs­sys­te­me der Explo­ita­ti­on (eher Manage­ment) und Explo­ra­ti­on (eher Lea­der­ship) und der damit kor­re­spon­die­ren­den per­so­na­len Ambi­dex­trie erschei­nen wei­te­re Über­le­gun­gen mit Blick auf ein ganz­heit­li­ches Kreis­mo­dell vielversprechend. 

Per­so­na­le Ambi­dex­trie  
Die per­so­na­le Ambi­dex­trie ist bis­her eher ein Phä­no­men, das am Ran­de auf­ge­taucht ist und doch von der Grund­idee her den Kern einer Per­son aus­macht, die ein agi­les Lea­der­ship für den (Hochschul-)Bildungsbereich über­nimmt. Denn das Aus­hal­ten und Aus­ta­rie­ren kön­nen, das geschick­te Agie­ren sowohl im Kon­text der Explo­ita­ti­on als auch in dem der Explo­ra­ti­on wie die Fähig­keit für die Bedar­fe und Vor­tei­le bei­der Berei­che für eine Orga­ni­sa­ti­on und ihre Pro­zes­se sen­si­bel und offen zu sein, ist eine gro­ße Her­aus­for­de­rung und setzt eine hohe Ambi­gui­täts­to­le­ranz vor­aus. Die­se wie­der­um gekop­pelt mit agi­len Wer­ten und Prin­zi­pi­en und der Fähig­keit über einen par­ti­zi­pa­ti­ven Füh­rungs­stil hin­aus auch im coa­chi­ven und inspi­rie­ren­den Bereich Fähig­kei­ten zu besit­zen, machen die­ses agi­le Lea­der­ship aus. Und wenn man genau hin­schaut, ist es etwas, dass vie­le Per­so­nen bereits mit­brin­gen und sich des­sen mög­li­cher­wei­se nur noch nicht bewusst sind. Gera­de im Hoch­schul­be­reich gehört es qua­si zum All­tag dazu, von vorn­her­ein For­schungs­ideen krea­tiv und explo­ra­tiv zu den­ken und zu ent­wi­ckeln, wäh­rend die­se par­al­lel lini­en­för­mig und hoch stan­dar­di­siert auf Antrags­for­mu­la­re und kleins­tei­li­gen Vor­ga­ben adap­tiert wer­den müs­sen — mit­un­ter zu dem Preis, dass die Inno­va­ti­on oder völ­lig neue Ideen zu Guns­ten der Chan­ce auf För­der­zu­sa­ge ver­rin­gert wird, weil sie nicht in das bekann­te Sche­ma passt. In der Leh­re ent­wi­ckeln zuneh­mend mehr Leh­ren­de krea­ti­ve Mög­lich­kei­ten der Online-Leh­re und über­neh­men Ver­ant­wor­tung für ihren Bereich, wer­den von einer offe­nen Admi­nis­tra­ti­on unter­stützt, die Wege in den for­ma­len Vor­ga­ben sucht und fin­det, um Leh­re und Prü­fun­gen for­mal kom­pa­ti­bel ent­lang der cur­ri­cu­la­ren und admi­nis­tra­ti­ven Vor­ga­ben der Prü­fungs­äm­ter zu ermög­li­chen. Das und wei­te­re Bei­spie­le prä­gen bereits den All­tag im (Hochschul-)Bildungskontext und noch wei­te­re Bei­spie­le las­sen sich ver­mut­lich umge­hend finden.

Mut zur Ambi­dex­trie 
Der Schritt zum selbst­ver­ständ­li­chen Ein­las­sen und einem Umgang mit einer dau­er­haf­ten Ambi­dex­trie, wie sie für die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on steht, ist ein bewuss­ter, doch mit­un­ter weni­ger gro­ßer, als zuerst befürch­tet. Denn im Grun­de lie­gen bereits vie­le Erfah­run­gen vor, wie eine Linea­ri­tät und Netz­werk­struk­tur mit­ein­an­der arbei­ten und sich ent­wi­ckeln kön­nen – auch im Bil­dungs­be­reich. Es ist bereits alles da! 

Der Schritt zu einer per­so­na­len Ambi­dex­trie erfor­dert hin­ge­gen schon mehr Mut. Denn sich der VUCA-Welt und den dafür eige­nen Vor­aus­set­zun­gen und Ent­wick­lungs­fel­dern bewusst zu wer­den, ist das Eine, doch sich mit Blick auf den ste­ti­gen Wan­del im Sin­ne agi­ler Wer­te und Prin­zi­pi­en zusam­men mit einem Team auch (wie­der) auf eine per­sön­li­che Ent­wick­lungs­rei­se zu bege­ben, ist das Ande­re. Die­ser Schritt kann für eini­ge Per­so­nen noch­mals eine Her­aus­for­de­rung sein; es beginnt ja bereits bei Retro­spek­ti­ven im Team, im klei­nen Rah­men über die gemein­sa­me Zusam­men­ar­beit zu reflek­tie­ren und die­se gemein­sam zu ver­bes­sern, anstel­le Zuschrei­bun­gen und Schuld­zu­wei­sun­gen zu kul­ti­vie­ren und neben der Sach­ebe­ne der Auf­ga­ben­er­le­di­gung die vor­herr­schen­de Team­kul­tur als gege­ben zu betrach­ten. Sich auf Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship ein­zu­las­sen, heißt also zugleich, sich mit sei­ner eige­nen per­so­na­len Ambi­dex­trie zu beschäf­ti­gen und die­se wei­ter­zu­ent­wi­ckeln – ver­ein­facht bezeich­net als Ambidextrie4me. Die­se unter­stüt­zen­den Fähig­kei­ten soll­ten es dann ermög­li­chen, im Rah­men­werk eines Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ships für den je spe­zi­fi­schen Bil­dungs­be­reich ein spe­zi­fi­sches Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship zu ent­wi­ckeln und umzu­set­zen; mit Sinek gespro­chen: das What zu erstellen.

Ambidextrie4me ent­wi­ckeln 
Die Ent­wick­lung der eige­nen per­so­na­len Ambi­dex­trie kann im Zusam­men­spiel mit dem Agie­ren in einer orga­ni­sa­tio­na­len Ambi­dex­trie erfol­gen und bei­läu­fig pas­sie­ren. Eben­so wird hier die Idee ver­folgt, per­so­na­le Ambi­dex­trie wei­ter zu ver­ste­hen und zu dif­fe­ren­zie­ren, um sie gezielt zu för­dern und ihre Ent­wick­lung unter­stüt­zen zu können. 

Allen vor­an sei hier auf den coa­chi­ven Stil ver­wie­sen sowie die beson­de­re Rol­le einer coa­chen­den Hal­tung. Gera­de mit dem Ver­weis, dass vie­le wider­sprüch­li­che Erfah­run­gen bereits schon erlebt und gemacht wur­den, erscheint die Per­spek­ti­ve auf die eige­nen Res­sour­cen und eine För­de­rung der Hil­fe zur Selbst­hil­fe durch sys­te­mi­sches Coa­ching ein wich­ti­ger Aspekt bei der Ent­wick­lung einer Ambidextrie4me. Ein auf die Ent­wick­lung der eige­nen Per­sön­lich­keit aus­ge­rich­te­tes Coa­ching kann hier­bei viel­fäl­ti­ge For­men anneh­men — ange­fan­gen von der Annah­me eines Coa­chin­g­an­ge­bots bis hin zu einem Peer-Coa­ching im Team oder über den Arbeits­be­reich hin­weg. Aktu­ell wird in unter­schied­li­chen Bil­dungs­be­rei­chen wie der Hoch­schu­le bei­spiels­wei­se mit der cir­cle­ba­sier­ten Metho­de Working Out Loud (WOL) expe­ri­men­tiert, die sowohl als eine Art von Peer-Coa­ching, kol­le­gia­ler Bera­tung und Etap­pe lebens­lan­gen (Selbst-)Lernens in Netz­wer­ken gel­ten kann13

Inwie­fern all­ge­mein cir­cle­ba­sier­te Metho­den, d.h. Metho­den, bei denen fes­te Klein­grup­pen über einen begrenz­ten Zeit­raum ent­lang einer lei­ten­den Struk­tur zusam­men­ar­bei­ten und sich über den eige­nen Arbeits­be­reich hin­weg oder gar über die eige­ne Orga­ni­sa­ti­on hin­weg ver­net­zen, zu einer per­sön­li­chen Ent­wick­lung im Sin­ne einer Ambidextrie4me bei­tra­gen kön­nen oder es hier alter­na­ti­ver oder noch eigens zu ent­wi­ckeln­der For­ma­te bedarf, wird die Pra­xis zeigen. 

Die umfas­sen­de För­de­rung der Ent­wick­lung eines Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship kann dazu bei­tra­gen, dass sich star­ke und zufrie­de­ne Teams ent­wi­ckeln, die sich gegen­sei­tig gut füh­ren bzw. Lea­der­ship für­ein­an­der und aus der Mit­te her­aus für die Bil­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on ins­ge­samt über­neh­men kön­nen und wol­len. Und hier schließt sich der Kreis mit Blick auf eine agi­le Trans­for­ma­ti­on, bei der per­ma­nent die Fra­ge zu stel­len ist, inwie­fern es gera­de für alle passt, eine grund­sätz­li­che Zufrie­den­heit und Auf­ge­schlos­sen­heit da ist und was jede Per­son gera­de braucht, um den Pro­zess wei­ter­ver­fol­gen zu kön­nen – und zu wol­len. Inwie­fern am Schluss alle mit­ge­nom­men wer­den kön­nen, lässt sich sicher bes­ser beant­wor­ten, wenn der jewei­li­ge Aus­gangs­punkt bekannt ist, an dem die agi­le Trans­for­ma­ti­ons­rei­se in der jewei­li­gen Bil­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on beginnt.

Die Macht­fra­ge 
Wenn­gleich hier die expli­zi­te Per­so­nen­ori­en­tie­rung und die agi­len Wer­te in das Zen­trum gerückt wer­den, bleibt eine wich­ti­ge Fra­ge, näm­lich wie mit Macht­fra­gen umge­gan­gen wer­den kann. Hier erscheint es sinn­voll per­spek­ti­visch über macht­theo­re­ti­sche Fra­gen wie auch psy­cho­lo­gi­sche Fra­gen der Moti­va­ti­on und sozi­al­psy­cho­lo­gi­sche Per­spek­ti­ven auf die Mikroebe­ne der Inter­ak­tio­nen sowie deren Ver­bin­dun­gen in einer orga­ni­sa­tio­na­len Ambi­dex­trie zu schauen. 

An die­ser Stel­le ist über die Macht­fra­ge eben­so kri­tisch die Rol­le der Orga­ni­sa­ti­on als gestalt­ba­rer Rah­men und vor allem eta­blier­ter und gesetz­ter Rah­men aus orga­ni­sa­ti­ons­so­zio­lo­gi­scher Per­spek­ti­ve zu erörtern. 

Nicht zuletzt lädt gera­de die kri­ti­sche Sicht auf den Aspekt der Macht oder des Han­delns wider der Wer­te dazu ein, die gro­ßen Per­spek­ti­ven zu eröff­nen und ein Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship im Zusam­men­hang und im Wider­spruch zwi­schen Sys­tem­theo­rie und Kon­struk­ti­vis­mus sowie Orga­ni­sa­ti­on und Sub­jekt kri­tisch zu reflek­tie­ren. In die­sem Zusam­men­hang wären eben­so kri­tisch Mög­lich­kei­ten einer inte­gra­len Sicht auf die agi­le Trans­for­ma­ti­on aus­zu­lo­ten sowie evo­lu­tio­när ori­en­tier­te For­men der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung. Aus kul­tu­rel­ler Sicht bleibt mit Blick auf die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on und die damit ein­her­ge­hen­de Ent­wick­lung spe­zi­fi­scher Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Hand­lungs­wei­sen zu erkun­den, wie sich eine ent­spre­chen­de Kul­tur der Digi­ta­li­tät der (Hochschul-)Bildung in die­sem Zusam­men­hän­gen herausbildet. 

Inso­fern bie­tet der Zugang über die Fra­ge, wo genau die Macht im Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship ver­bleibt, ein zen­tra­ler Ansatz­punkt einer theo­re­ti­schen Betrach­tung — mit Fokus auf eine kla­re Lösungs­ori­en­tie­rung für die Ent­wick­lung des (Hochschul-)Bildungsbereichs. 

Es ist bereits alles da! — Ausblick auf das Rahmenwerk

Das Rah­men­werk Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship ist in der Ent­ste­hung. Ein MVP als Ver­si­on 1.0 liegt hier­mit vor. Die vor­lie­gen­den Aus­füh­run­gen zei­gen in den ein­zel­nen Kapi­teln wich­ti­ge Per­spek­ti­ven auf, die ein Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship fun­die­ren. Es wird auf bestehen­de Kon­zep­te und ihre Poten­zia­le oder kon­kre­ten Ele­men­te zur Adap­ti­on hin­ge­wie­sen wie ers­te theo­re­ti­sche Anschluss­mög­lich­kei­ten auf­ge­zeigt und ent­spre­chen­de Denk­rich­tun­gen und kri­ti­sche Refle­xi­ons­li­ni­en ange­regt. Doch im Grun­de sind die Ele­men­te eines Rah­men­werks Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship nicht neu. Es stellt sich wei­ter­hin ledig­lich die Fra­ge, was wei­ter­hin ver­tieft, was ergänzt oder was ver­wor­fen wer­den soll­te und wie der Re-Mix wei­ter­hin gestal­tet sein soll.

Neu mag in die­sem Zusam­men­hang sein, dass aus­ge­hend von einer bil­dungs­wis­sen­schaft­li­chen Per­spek­ti­ve, das Bestre­ben vor­liegt, Lea­der­ship für eine Hand­lungs­fä­hig­keit in kom­ple­xen Kon­tex­ten und aus­ge­hend vom Sta­tus Quo von den eige­nen trans­dis­zi­pli­nä­ren Bedar­fen des Bil­dungs­be­reichs zu den­ken. Als Inspi­ra­ti­on dient die Per­spek­ti­ve der per­so­na­len Ambidextrie. 

Mutig mag sein, zum inte­gra­ti­ven, lösungs­ori­en­tier­ten Han­deln jen­seits von Zustän­dig­kei­ten und Macht­po­si­tio­nen hin­zu­wei­sen – und dar­an zu erin­nern, dass jede Per­son in ihrem Bereich zu jeder Zeit Lea­der­ship über­neh­men kann. Mutig ist mit­un­ter auch, einen ande­ren Weg für den (Hochschul-)Bildungsbereich als den bis­he­ri­gen vor­zu­schla­gen und den Ansatz für ein trans­dis­zi­pli­nä­res Rah­men­werk Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship zur gemein­sa­men Bera­tung und Abstim­mung zu stel­len – und der­weil an der Begründ­bar­keit und Mach­bar­keit wei­ter zu den­ken und zu for­schen. Denn es ist zwar Vie­les da – doch es ist erst ein ers­ter Schritt gemacht, dem noch wei­te­re fol­gen kön­nen, um aus dem MVP ein fer­ti­ges Pro­dukt bzw. in die­sem Fall ein Rah­men­werk vorzulegen. 

Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship kann der­zeit als Samm­lung an Wer­ten, Prin­zi­pi­en und Prak­ti­ken für eine jewei­li­ge spe­zi­fi­sche Bil­dungs­pra­xis her­an­ge­zo­gen und in die­sem Rah­men kon­kret und pas­send ent­wi­ckelt wer­den. Der­zeit ver­bin­det die Ver­si­on 1.0 des MVP für den spe­zi­fi­schen Bereich der Bil­dung adap­tier­te Kon­zep­te, Ansät­ze und Metho­den aus unter­schied­li­chen Dis­zi­pli­nen und der Pra­xis mit Blick auf das Ziel eines trans­dis­zi­pli­nä­ren Rah­men­werks Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship

Mit Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship möch­te ich lösungs­ori­en­tiert zum Neu-Den­ken und schritt­wei­se Anders-Machen aus dem Bil­dungs­sys­tem von innen her­aus ermutigen. 

  1. Robin­son, K. (Autor). (2017). An Inter­view with Sir Ken Robin­son [Pod­cast]. Los Ange­les: Art Ed Radio. []
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  5. sie­he https://www.scrum.org/resources/what-is-scrum/ []
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  13. sie­he bei­spiels­wei­se https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/working-out-loud-hochschule oder für den grö­ße­ren Bereich https://workingoutloud.com/blog/wol-for-education-an-update []
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