Wieso Educational? Oder: Bildung matters!

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„Bil­dung wird also ver­stan­den als Befä­hi­gung zu ver­nünf­ti­ger Selbst­be­stim­mung, die die Eman­zi­pa­ti­on von Fremd­be­stim­mung vor­aus­setzt oder ein­schließt, als Befä­hi­gung zur Auto­no­mie, zur Frei­heit eige­nen Den­kens und eige­ner mora­li­scher Ent­schei­dun­gen. Eben des­halb ist dann auch Selbst­tä­tig­keit die zen­tra­le Voll­zugs­form des Bildungsprozesses.“

Wolf­gang Klaf­ki (2007, S. 19)1


In die­sem Kapi­tel wird beschrie­ben, wes­halb Edu­ca­tio­nal für Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship den zen­tra­len Anker­punkt dar­stellt. Um das Ziel einer zeit­ge­mä­ßen Bil­dung und einer zukünf­ti­gen Hand­lungs­fä­hig­keit der jet­zi­gen und nächs­ten Gene­ra­ti­on zu ermög­li­chen, spie­len Bil­dung für alle sowie ein gerech­ter und frei­er Zugang zu Bil­dung eine wich­ti­ge Rol­le. Wel­che inhalt­li­chen Per­spek­ti­ven und soge­nann­te Zukunfts-Kom­pe­ten­zen dazu bei­tra­gen kön­nen, um die­ses Ziel zu errei­chen, wird mit Blick auf Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen und per­sön­li­che Bil­dung eben­so auf­ge­zeigt, wie Beson­der­hei­ten der Bil­dungs­be­rei­che im deut­schen Bildungssystem. 

Bild­li­zenz2

Educational und Bildung 

Mit dem Begriff Bil­dung und dem was all­ge­mein ger­ne als gute Bil­dung bezeich­net wird, ver­bin­det jede_r von uns etwas Eige­nes. Denn wir alle haben Bil­dung – und da bezie­he ich mich auf das deut­sche Bil­dungs­sys­tem – in der einen oder ande­ren Vari­an­te erle­ben kön­nen oder Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen durch­lau­fen. Und damit ver­knüp­fen wir ver­mut­lich viel­fäl­ti­ge Erleb­nis­se. Sei es in der früh­kind­li­chen Bil­dung, in den unter­schied­li­chen Schul­for­men, bis hin zur beruf­li­chen und aka­de­mi­schen Bil­dung aber auch im Sin­ne von lebens­lan­gem Ler­nen in der Erwach­se­nen- und Weiterbildung. 

Edu­ca­tio­nal 
Bil­dung stellt für Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship den Bezugs­rah­men dar, wenn­gleich in Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship nun der Begriff Edu­ca­tio­nal zen­tral her­vor­ge­ho­ben wird. Die Grün­de dafür sind vielfältig. 

Bei der vor­lie­gen­den Per­spek­ti­ve ist das eng­lisch­spra­chi­ge Edu­ca­tio­nal zen­tral, weil die­ser Begriff mit sei­ner Bedeu­tung im wei­tes­ten Sin­ne über­grei­fend für das steht, was wir im deutsch­spra­chi­gen Raum unter Bil­dung und zusätz­lich noch Erzie­hung, Sozia­li­sa­ti­on wie auch Leh­ren und Ler­nen ein­schließ­lich dazu­ge­hö­ri­ger Insti­tu­tio­nen und Orga­ni­sa­tio­nen dif­fe­ren­zie­ren. Für das, was wir in der deut­schen Bil­dungs­tra­di­ti­on aus vor allem geis­tes­wis­sen­schaft­li­cher Per­spek­ti­ve mit Bil­dung ver­bin­den, gibt es kein eng­lisch­spra­chi­ges Äqui­va­lent3

Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship als Les­art 
Nun könn­te man sich viel­leicht über die eng­li­sche Begriffs­wahl wun­dern, doch wur­de die­se Bezeich­nung nach län­ge­rer Über­le­gung bewusst gewählt. Dass Lea­der­ship und Leader_in mitt­ler­wei­le ähn­lich wie Manage­ment oder Manager_in im deutsch­spra­chi­gen Raum Begrif­fen, wie Füh­rung oder Füh­rungs­kräf­ten vor­ge­zo­ge­nen wird, wird im ent­spre­chen­den The­men­ab­schnitt deut­lich wer­den, eben­so wie Agi­le Lea­der­ship oder Digi­tal Lea­der­ship im Deut­schen noch sel­ten über­setzt wer­den. Die bevor­zug­te Ver­wen­dung eng­lisch­spra­chi­ger Begrif­fe lässt sich auch in ande­ren Debat­ten im Bil­dungs­kon­text wie zum Bei­spiel im Zuge von Open Edu­ca­ti­on, Open Edu­ca­tio­nal Resour­ces (OER) oder Open Edu­ca­tio­nal Prac­ti­ces (OEP) erken­nen. Zum einen, weil die Begrif­fe inter­na­tio­nal zuerst geprägt wur­den, zum ande­ren, um auch in der inter­na­tio­na­len Dis­kus­si­on anschluss­fä­hig zu sein. Man könn­te sich jetzt an die­sem Deng­lisch stö­ren, das sich auch in die­sem Text wie­der­fin­den wird, doch gera­de das The­men­feld um Bil­dung, Ler­nen und Digi­ta­li­sie­rung und Digi­ta­li­tät bewegt sich leben­dig auf die­sem Grat. Ent­spre­chend wur­de hier mit Edu­ca­tio­nal, der wei­ter­rei­chen­den Bedeu­tung als pas­sen­de­re Begriffs­wahl, den Vor­rang gege­ben. So wird statt von einer ver­mut­lich nahe­lie­gen­den, doch von der Bedeu­tung her miss­ver­ständ­li­chen Über­set­zung wie es „agi­le Füh­rung im Bil­dungs­be­reich“ wäre, kon­se­quent von Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship gespro­chen. Zusätz­lich soll die Bedeu­tung von Edu­ca­tio­nal als Bezugs­punkt von Agi­le (und) Lea­der­ship noch durch des­sen augen­schein­lich zen­tra­le Wort­stel­lung zwi­schen Agi­le und Lea­der­ship her­aus­ge­stellt wer­den. Die Bezeich­nung Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship steht also für die­se beson­de­re Lesart. 

Zugang durch Bildung 

Zumeist ver­bin­den gera­de die, denen Bil­dung wich­tig ist oder denen Bil­dung in einem Aneig­nungs- und Aus­ein­an­der­set­zungs­pro­zess etwas Bedeut­sa­mes für den eige­nen Weg mit­ge­ge­ben hat, Bil­dung mit etwas Posi­ti­vem – mög­li­cher­wei­se mit Erleb­nis­sen oder Fol­gen, die sich so cha­rak­te­ri­sie­ren las­sen, wie sie der Erzie­hungs­wis­sen­schaft­ler Wolf­gang Klaf­ki im Ein­gangs­zi­tat beschreibt, das er 1985 for­mu­lier­te. Etwas, das ihnen unab­hän­gig von der jewei­li­gen Her­kunft per­sön­lich gehol­fen hat, Selbst­be­stim­mung im kri­ti­schen Den­ken und Han­deln als etwas Selbst­wirk­sa­mes und Bestär­ken­des zu erle­ben. Denn im „Ver­ständ­nis der klas­si­schen Bil­dungs­theo­rie ist Bil­dung inso­fern all­ge­mei­ne Bil­dung, als sie Bil­dung für alle sein soll“ (Klaf­ki 2007, S. 21; Herv. i. O.)1

Bil­dung für alle 
Und ver­mut­lich set­zen vie­le ent­spre­chend ihrer Vor­stel­lun­gen von Bil­dung für alle mit ihren indi­vi­du­el­len und bio­gra­fi­schen Bezü­gen beim Zugang zur Bil­dung an. 

Allen vor­an spielt zumeist gera­de Bil­dung für die­je­ni­gen eine wich­ti­ge Rol­le, für die sie das Öff­nen von Türen bedeu­te­te, die weni­ger pri­vi­le­giert sind und wie es heu­te heißt, mehr oder weni­ger, bil­dungs­fern auf­ge­wach­sen sind. Sie haben zumeist als erste_r ihrer Fami­li­en einen höhe­ren Schul­ab­schluss gemacht oder ein aka­de­mi­sches Stu­di­um auf­ge­nom­men, das sie dann wei­ter­ge­führt hat. Die­se soge­nann­ten first gene­ra­ti­on stu­dents ste­hen in der Hoch­schul­bil­dung für einen wich­ti­gen Teil, der die Diver­si­tät heu­ti­ger Kohor­ten von Stu­die­ren­den reprä­sen­tiert (sie­he zur Situa­ti­on der Stu­die­ren­den bis 2016)4 sowie in Pla­nung5. Sie ver­bin­den Bil­dung ver­mut­lich mit der Eröff­nung und Schaf­fung von Zugängen. 

Dass die­ser Anteil der Stu­die­ren­den bis heu­te ver­hält­nis­mä­ßig gering geblie­ben ist, ist bekannt und mit der gerin­gen Durch­läs­sig­keit des deut­schen Bil­dungs­sys­tems zu erklä­ren. Dass im Bereich der Durch­läs­sig­keit noch viel Poten­zi­al liegt, wur­de bereits mehr­fach in reprä­sen­ta­ti­ven, inter­na­tio­na­len Ver­gleichs­stu­di­en wie bei­spiels­wei­se der IEA-Ver­gleichs­stu­die ICILS (Inter­na­tio­nal Com­pu­ter and Infor­ma­ti­on Liter­acy Stu­dy) 2018 (Eickel­mann et al., 2019)6 pro­ble­ma­ti­siert. Im Umkehr­schluss steht so auch nicht ermög­lich­te Bil­dung für das Ver­hin­dern von Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten und Lebens­chan­cen. Bil­dung ist ent­schei­dend! Bil­dung matters! 

Nach­hal­tig­keits­ziel 4 oder SDG4 
Die gesell­schaft­li­che Bedeu­tung von Zugangs­mög­lich­kei­ten wird deut­li­cher, wenn man sich die der­zei­ti­gen 17 Zie­le für die nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung oder Sus­tainable Deve­lo­p­ment Goals (SDGs)7 der Ver­ein­ten Natio­nen anschaut, auf deren Errei­chung bis 2030 sich welt­weit ver­stän­digt wur­de. Sie sol­len der Siche­rung einer nach­hal­ti­gen Ent­wick­lung auf öko­no­mi­scher, sozia­ler sowie öko­lo­gi­scher Ebe­ne die­nen und sind auf die Erhal­tung und Gestal­tung der Lebens­welt nächs­ter Gene­ra­tio­nen ausgerichtet. 

Dabei ist das 4. Nach­hal­tig­keits­ziel oder SDG4 dem Bereich Bil­dung gewid­met, das mit hoher Prio­ri­tät betrach­tet und behan­delt wird. Das SDG48 ist auf die fol­gen­de welt­wei­te Akti­vi­tät zur För­de­rung von Chan­cen­ge­rech­tig­keit aus­ge­rich­tet: „Chan­cen­ge­rech­te und hoch­wer­ti­ge Bil­dung: Für alle Men­schen inklu­si­ve, chan­cen­ge­rech­te und hoch­wer­ti­ge Bil­dung sowie Mög­lich­kei­ten zum lebens­lan­gen Ler­nen sicherstellen.“ 

Agen­da Bil­dung 2030 
In Deutsch­land wird die­se welt­wei­te Bestre­bung nach chan­cen­ge­rech­ter und hoch­wer­ti­ger Bil­dung von der Deut­schen UNESCO-Kom­mis­si­on unter „Agen­da Bil­dung 2030“9 dis­ku­tiert und in der Umset­zung beglei­tet. Ein Blick auf den im EU-Ver­gleich ver­hält­nis­mä­ßig gerin­gen Anteil von Erwach­se­nen mit Abschluss im ter­tiä­ren Bil­dungs­be­reich10 zeigt, dass Deutsch­land im Ver­hält­nis zum EU-Durch­schnitt noch Ent­wick­lungs­po­ten­zia­le hat. 

Doch unbe­nom­men des­sen, kann es bei Bil­dungs­zu­gän­gen und Bil­dungs­ge­rech­tig­keit im Sin­ne einer Bil­dung für alle nicht um weni­ger oder mehr, son­dern immer nur um ein mög­lichst viel, gut und bes­ser gehen! 

Denn wir als Gesell­schaft und beson­ders als Akteur_innen im Bil­dungs­be­reich tra­gen für die nächste(n) Generation(en) die Ver­ant­wor­tung, ihnen eine gute (Grund-)Bildung zu ermög­li­chen, die sie mit den Unge­wiss­hei­ten, Ambi­gui­tä­ten und dem ste­ti­gen (Kultur-)Wandel sou­ve­rän umge­hen lässt und in Zukunft hand­lungs­fä­hig sein lässt und in die Lage ver­setzt, nach­hal­ti­ge Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und zukünf­ti­ge Pro­ble­me lösen zu können. 

Zukünftige Handlungsfähigkeit ermöglichen

Nach über einem Jahr der Dis­rup­ti­on im Bil­dungs­be­reich lässt sich beob­ach­ten, dass der Bil­dungs­be­reich, wie wir ihn bis­her ken­nen, mit sei­nen Akteur_innen unter Kri­sen­be­din­gun­gen offen­sicht­lich nicht wider­stands­fä­hig und fle­xi­bel genug ist. Mit wel­chem Modus lie­ße sich also Bil­dung unter die­sen kri­sen­haf­ten, aber auch zukünf­tig wei­ter­hin wenig plan­ba­ren Rah­men­be­din­gun­gen bes­ser gestal­ten und eine zukunfts­fä­hi­ge Hand­lungs­fä­hig­keit kultivieren? 

Her­aus­for­de­rung Unge­wiss­heit 
Ein Blick in die deut­sche Tages­pres­se und öffent­li­che Debat­te im Netz genügt, um sich ein Bild von den wider­sprüch­li­chen Mei­nun­gen über die nächs­ten sinn­vol­len Schrit­te (Öff­nen vs. Schlie­ßen) zu ver­schaf­fen, sich gegen­läu­fi­ger und mit­un­ter auf­ge­la­de­ner Posi­tio­nen (Prä­senz vs. Online) zu ver­ge­wis­sern oder ein Bild ernüch­ter­ter Akteur_innen (Pflicht­er­fül­lung vs. Selbst­ein­schät­zung) zu erlan­gen, um nur eini­ge Facet­ten aufzuzeigen. 

Ange­sichts der Pan­de­mie und ihrer noch nicht abseh­ba­ren Fol­gen, aber auch mit Blick auf die ste­ti­ge digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on, als eine blei­ben­de wesent­li­che gesell­schaft­li­che Bedin­gung, bleibt die zen­tra­le Her­aus­for­de­rung für den Bil­dungs­be­reich, einen gerech­ten Zugang zur Bil­dung für alle zu ermög­li­chen und zugleich Bil­dung zukunfts­ori­en­tiert zu den­ken und mit zeit­ge­mä­ßen Bil­dungs­for­ma­ten zu rea­li­sie­ren. Damit sind Lern- und Bil­dungs­for­ma­te gemeint, die den Ler­nen­den ermög­li­chen, Erfah­run­gen mit kom­ple­xen Her­aus­for­de­run­gen zu machen. Dazu gehört es, selbst­ver­ant­wort­lich Lösun­gen für Pro­ble­me zu erar­bei­ten, für die es mehr als eine oder noch kei­ne stan­dar­di­sier­te Lösung gibt, Erfah­run­gen in der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Inter­ak­ti­on mit diver­sen Per­so­nen und Sicht­wei­sen zu sam­meln, und zu erle­ben, dass Lösungs­ideen auch schei­tern kön­nen und das Ler­nen aus Feh­lern zu ler­nen. Das Bil­dungs­sys­tem scheint so wie es der­zeit auf­ge­stellt ist, nur schwer­lich in der Lage zu sein, selbst sou­ve­rän mit Unge­wiss­hei­ten und Ambi­gui­tä­ten umzu­ge­hen, wie auch über die unter­schied­li­chen Bil­dungs­be­rei­che hin­weg auf den Umgang mit kom­ple­xen Pro­ble­men und Fra­ge­stel­lun­gen vorzubereiten. 

Per­sön­lich­keits­bil­dung  
Doch was meint es nun per­sön­li­che Bil­dung bzw. Per­sön­lich­keits­bil­dung zukunfts­fä­hig zu ermög­li­chen oder zeit­ge­mä­ße Bil­dung zu realisieren? 

Es ist im Grun­de das, was bereits Wolf­gang Klaf­ki mit sei­nem Zitat ein­gangs umschreibt. Es geht dabei viel um eine per­so­nen­be­zo­ge­ne Per­spek­ti­ve jen­seits ver­ein­heit­li­chen­der Stan­dar­di­sie­run­gen oder einer Lösung, die auf alle passt, bei­spiel­wei­se in Lern- oder Bil­dungs­an­ge­bo­ten. Im Kern geht es also um eine Per­so­nen­ori­en­tie­rung oder Ler­nen­den­ori­en­tie­rung, die die Viel­falt oder Diver­si­tät der Bedar­fe von Ler­nen­den nicht als Her­aus­for­de­rung, son­dern die­se unter­schied­li­chen Zugän­ge, Bedar­fe und Sicht­wei­sen als Quel­len und Res­sour­cen viel­fäl­ti­ger Per­spek­ti­ven und Mög­lich­kei­ten für den Ver­lauf von indi­vi­du­el­len Bil­dungs­pro­zes­sen betrachtet. 

Und auch wenn Bil­dung immer ein indi­vi­du­el­ler Pro­zess ist, der an der jeweils eige­nen Geschich­te, am Vor­wis­sen und an Vor­er­fah­run­gen ansetzt, so pas­siert so etwas abs­trak­tes wie Bil­dung meis­tens dann, wenn eine Inter­ak­ti­on, ein Aus­tausch mit etwas oder mit ande­ren Per­so­nen erfolgt. Bil­dungs­pro­zes­se fin­den ver­ein­facht gesagt bei Gele­gen­hei­ten statt, die einen selbst irri­tie­ren, ja viel­leicht sogar bis­he­ri­ge Hal­tun­gen oder Bil­der von der Welt erschüt­tern und einen damit in eine klei­ne­re oder auch grö­ße­re per­sön­li­che Kri­sen­si­tua­ti­on brin­gen. Eine refle­xi­ve oder pro­duk­ti­ve oder kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit einer sol­chen Situa­ti­on und im bes­ten Fal­le deren Über­win­dung hin­ter­lässt Spu­ren bei uns. Bil­dung meint dem­nach immer Ver­än­de­run­gen. Die­se bezie­hen sich all­ge­mein gespro­chen dar­auf, wie Indi­vi­du­en die Welt und sich selbst sehen und wahr­neh­men und die­ses Ver­hält­nis reflek­tie­ren. Und zwar eine Welt, die kom­ple­xer wird und zuneh­mend höhe­re Anfor­de­run­gen an unse­re eige­ne Refle­xi­ons­fä­hig­keit stellt. Die­ser Pro­zess der Bil­dung kann als per­sön­li­che Trans­for­ma­ti­on betrach­tet werden. 

Bil­dung fin­det manch­mal ganz bewusst und gezielt statt, manch­mal mer­ken wir es kaum. Viel­leicht fällt es auch erst spä­ter auf, dass wir uns in bestimm­ten Berei­chen infor­mell wei­ter­ge­bil­det haben. An ande­rer Stel­le haben wir ganz bewusst Bil­dungs­an­ge­bo­te aus­ge­wählt und sind auch inter­es­siert dar­an zu sehen, ob und was wir danach mehr wis­sen oder kön­nen und wol­len die­ses in einer pas­sen­den Form beschei­nigt oder zer­ti­fi­ziert bekommen. 

Gegen­warts­be­dar­fe 
Wenn man danach fragt, was Kin­der, Jugend­li­che oder Erwach­se­ne, aber auch Senior_innen heu­te in den Bil­dungs­in­sti­tu­tio­nen ler­nen soll­ten, weil sie es im All­tag und für das Leben brau­chen, um bereits heu­te, doch viel­mehr für die Zukunft kom­pe­tent zu sein, um mit der zuneh­men­den Kom­ple­xi­tät umzu­ge­hen, fällt meis­tens ein Ver­weis auf Kri­tik­fä­hig­keit oder „Kri­tisch-Sein“. Mit dem Ver­weis auf die gegen­wär­ti­ge Digi­ta­li­sie­rung und digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on wer­den häu­fig Anmer­kun­gen in Rich­tung Medi­en­kom­pe­tenz ein­schließ­lich ver­än­der­ter Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kom­pe­tenz oder digi­ta­ler Kom­pe­ten­zen gege­ben. Nicht sel­ten in Ver­bin­dung mit dem wich­ti­gen Hin­weis dar­auf, wie bedeut­sam wei­ter­hin eine direk­te Kom­mu­ni­ka­ti­on und das Mit­ein­an­der sei oder ganz all­ge­mein die Rol­le von per­sön­li­chen Bezie­hun­gen als sozia­ler Kit. 

Die Situa­ti­on in der Pan­de­mie zeigt hier sehr ein­drück­lich auf, wohin sich die Art und Wei­se, wie wir zukünf­tig mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren, arbei­ten und leben wer­den, hin ent­wi­ckelt. Wie vie­le von uns sind mitt­ler­wei­le in der Lage über ihr Smart­phone, ein Tablet oder den Com­pu­ter an einer Video­kon­fe­renz mit einer oder meh­re­ren Per­so­nen teil­zu­neh­men oder nut­zen selbst­ver­ständ­lich Mes­sen­ger-Diens­te statt lan­ge E‑Mails zu schrei­ben? Hand­ge­schrie­be­ne Papier­brie­fe oder Kar­ten sind mitt­ler­wei­le sel­ten – und zugleich zu einer sehr beson­de­ren Ges­te gewor­den zwi­schen all den digi­ta­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men. Wie vie­le haben bei­läu­fig ange­fan­gen zu ler­nen, bei­spiels­wei­se Ter­mi­ne selbst­ver­ständ­lich über Online-Por­ta­le zu ver­ein­ba­ren, Fahr­kar­ten mit einer App online oder am Auto­ma­ten zu kau­fen, ohne dar­über nach­zu­den­ken, wie­vie­le Com­pu­ter in unse­rem All­tag mitt­ler­wei­le ver­baut sind und wo wel­che Daten nötig sind und was damit pas­siert? Dane­ben ent­ste­hen in viel­fäl­ti­ger Wei­se immer mehr Online-Lern­an­ge­bo­te vor allem zur per­sön­li­chen Weiterbildung. 

Zugleich lie­gen neben der Digi­ta­li­sie­rung, wie sie auch von den bereits genann­ten 17 SDGs adres­siert wer­den, wei­te­re gro­ße Auf­ga­ben vor uns, wie der demo­gra­phi­sche Wan­del oder der Kli­ma­wan­del und damit die Fra­ge danach, wie wir zukünf­tig leben wol­len und was wir dafür gelernt haben soll­ten. Oder anders for­mu­liert, wie kön­nen wir uns heu­te mög­lichst gut auf eine Zukunft vor­be­rei­ten, die wir heu­te nur erah­nen können? 

Zukunfts­fä­hig­keit und Hoch­schul­bil­dung 
Für den Bereich der Hoch­schul­bil­dung wird vor allem mit Blick auf die Digi­ta­li­sie­rung und Tech­ni­sie­rung zuneh­mend von der För­de­rung von Zukunfts­kom­pe­ten­zen oder future skills gespro­chen, um die Stu­die­ren­den mit Hil­fe die­ser auf zukünf­ti­ge Berufs- und Hand­lungs­fel­der vor­zu­be­rei­ten. Über die kon­kre­te Aus­rich­tung sol­cher Kom­pe­ten­zen lässt sich streiten. 

Hier wer­den sie bei­spiel­haft für die her­aus­for­dern­de Gestal­tung von Stu­di­en­an­ge­bo­ten im Hoch­schul­bil­dungs­be­reich her­an­ge­zo­gen, die zwi­schen fach­li­chem und fach­über­grei­fen­dem Kom­pe­tenz­er­werb differenzieren. 

Zugleich ste­hen Zukunfts­kom­pe­ten­zen exem­pla­risch dafür, wie bis heu­te die Dis­kus­sio­nen um das Ver­hält­nis von Fach­bil­dung und all­ge­mei­ner Bil­dung geführt wird, um wel­che The­men gerun­gen wird und wel­che Ange­bo­te schließ­lich den Stu­die­ren­den zur Ver­fü­gung ste­hen. Unbe­nom­men ist, dass alle betei­lig­ten Akteur_innen mit Sicher­heit das Bes­te für die heu­ti­gen und zukünf­ti­gen Stu­die­ren­den anstre­ben und ihnen best­mög­li­che Rah­men­be­din­gun­gen für gute Hoch­schul­ab­schlüs­se ermög­li­chen wol­len, doch das Über­win­den bestehen­der Stu­di­en­struk­tu­ren viel Enga­ge­ment von vie­len Sei­ten fordert. 

So ste­hen sich hier zugleich bewähr­te Struk­tu­ren und aktu­el­le Not­wen­dig­kei­ten bis­wei­len unver­ein­bar gegen­über. Denn bis heu­te wird der Fach­lich­keit oder den „rich­ti­gen“ Fach­in­hal­ten in der Regel noch immer der höchs­te Stel­len­wert ein­ge­räumt. Vie­le wer­den sich an die Umstel­lung des euro­päi­schen Hoch­schul­sys­tems Anfang der 2000er Jah­re im Zuge der Bolognare­form erin­nern, als die soge­nann­ten „alten Stu­di­en­gän­ge“ mit Magis­ter- oder Diplom­ab­schluss in neue auf Modu­len basie­ren­den Bache­lor- und Mas­ter­stu­di­en­gän­ge trans­for­miert wur­den (das Staats­examen spiel­te hier bis heu­te eine Son­der­rol­le). Zwar herrsch­te über die Reform wei­test­ge­hend Kon­sens, doch erfolg­te sie kon­kret zumeist in der Form, dass mög­lichst vie­le Inhal­te der alten Stu­di­en­gän­ge in neue Modu­le über­führt wur­den. Dabei kamen kri­ti­sches Hin­ter­fra­gen und Über­le­gun­gen, wel­che Zie­le kon­kret hin­ter den neu­en Modu­len ste­hen oder wel­che fach­li­chen oder über­fach­li­chen Kom­pe­ten­zen wie geför­dert und über­prüft wer­den soll­ten, beson­ders in den Anfän­gen der Stu­di­en­re­form zu kurz. Auf­grund for­ma­ler Kapa­zi­täts­be­schrän­kun­gen in Form von stan­dar­di­sier­ten Cre­dit Points, die für zur Ver­fü­gung ste­hen­de Zeit­ein­hei­ten pro Stu­di­en­gang ste­hen, kann man Stu­di­en­gän­ge und die Modu­le nicht belie­big erwei­tern. Bis heu­te besteht bei jeder Stu­di­en­gangs­re­form die Her­aus­for­de­rung, aber auch immer wie­der erneu­te Chan­ce dar­in, idea­ler­wei­se zusam­men mit Stu­die­ren­den zu über­le­gen und aus­zu­han­deln, wie­viel Antei­le von wel­chen Inhal­ten bzw. Kom­pe­ten­zen wie vie­le Cre­dit Points, bei gede­ckel­ter Gesamt­men­ge, erhal­ten sollte. 

(Fach-)Wissenschaft, Per­sön­lich­keits­bil­dung und Arbeits­markt­vor­be­rei­tung 
Bis heu­te wird die Gestal­tung von Modu­len je Bil­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on anders gehand­habt, doch ste­hen Fach­in­hal­te immer wie­der neu­en über­fach­li­chen Inhal­ten und Kom­pe­ten­zen gegen­über. Es stellt sich hier dann häu­fig die Fra­ge, ob über­fach­li­che Inhal­te wie bei­spiels­wei­se Sprach­er­werb, Digi­ta­le Kom­pe­ten­zen, For­schungs­me­tho­den oder Wis­sen­schafts­theo­rie geson­dert in einem Stu­di­um Gene­ra­le oder Wahl­pflicht­be­reich oder in die Fach­stu­di­en­gän­ge inte­griert wer­den. Dane­ben ver­än­dern sich gera­de durch eine zuneh­men­de Digi­ta­li­sie­rung auch die Fach­in­hal­te selbst und neue Fach­ge­bie­te ent­wi­ckeln sich, wie bei­spiels­wei­se die Digi­tal Huma­ni­ties in den Geis­tes­wis­sen­schaf­ten. Die­se Anfor­de­run­gen erge­ben sich in vie­len Fäl­len direkt aus der Pra­xis oder dem spä­te­ren Arbeits­feld von Stu­die­ren­den, die nicht an der Hoch­schu­le ver­blei­ben und eine aka­de­mi­sche Kar­rie­re ver­fol­gen. So betont der Wis­sen­schafts­rat, wie rele­vant es für Hoch­schu­len sei, mit Blick auf die Per­son und den Arbeits­markt sowohl Bei­trä­ge zur (Fach-)Wissenschaft, Per­sön­lich­keits­bil­dung und Arbeits­markt­vor­be­rei­tung glei­cher­ma­ßen zu leis­ten (Wis­sen­schafts­rat 2015)11 . Doch gera­de seit der Bolognare­form wird der dort pro­mi­nent ein­ge­führ­te Begriff der „Employa­bi­li­ty“ bzw. Beschäf­ti­gungs­fä­hig­keit von Stu­die­ren­den, vor allem an Uni­ver­si­tä­ten mit ihrem vom Grund­ge­setzt ver­bürg­ten Recht auf Frei­heit von For­schung und Leh­re immer, auch kri­tisch betrachtet. 

Gera­de Uni­ver­si­tä­ten sehen sich bis heu­te, trotz zuneh­men­dem Enga­ge­ment im gesell­schaft­li­chen Trans­fer­be­reich, noch stär­ker in der Tra­di­ti­on der Ideen einer Bil­dung durch Wis­sen­schaft sowie Zweck­frei­heit von For­schung ver­bun­den. Das mag zur Erklä­rung bei­tra­gen, wes­halb die Rea­li­sie­rung einer zeit­ge­mä­ßen Bil­dung für alle, die sich zugleich auf (Fach-)Wissenschaft, Per­sön­lich­keits­bil­dung und Arbeits­markt­vor­be­rei­tung bezie­hen lässt, für den Hoch­schul­be­reich bis heu­te eine Her­aus­for­de­rung in der Umset­zung im Rah­men bestehen­der Stu­di­en­gangs­struk­tu­ren, darstellt.

Zukunftsweisende Kompetenzen

Mit Blick auf eine zukunfts­fä­hi­ge Bil­dung geht es an die­ser Stel­le erst ein­mal weni­ger um die Bil­dungs­for­men und ‑kon­zep­te als eher um Kom­pe­ten­zen und Gegen­stän­de sowie die Art und Wei­se, wie Bil­dung oder Ler­nen in die­sem Rah­men zukunfts­ori­en­tiert erfol­gen kann. Immer auch mit Blick auf die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on des Bil­dungs­be­reichs, wie sie der­zeit stattfindet. 

Medi­en­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen und Daten­kom­pe­tenz 
The­men­fel­der, die der­zeit als neue, zukunfts­wei­sen­de Kom­pe­ten­zen (nicht nur) für den Hoch­schul­bil­dungs­be­reich betrach­tet wer­den, sind nach wie vor das, was frü­her als Medi­en­kom­pe­tenz bezeich­net wur­de und heu­te für Leh­ren­de und Ler­nen­de unter „Bil­dung in der digi­ta­len Welt“ (Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz 2017)12 oder all­ge­mein für Bürger_innen unter Digi­tal Competence/ Digi­ta­le Kom­pe­ten­zen13 firmieren. 

Da unse­re von Medi­en durch­drun­ge­ne Lebens­welt zuneh­mend data­fi­ziert ist, also Daten die Grund­la­ge für Vie­les wie Künst­li­che Intel­li­genz, Maschi­nel­les Ler­nen und bei­spiels­wei­se im Bil­dungs­be­reich Lear­ning Ana­ly­tics dar­stel­len und zuneh­mend bedeut­sa­mer wer­den, kommt so der Daten­kom­pe­tenz oder Data Liter­acy (Schül­ler et al., 2019)14 und Edu­ca­tio­nal Data Liter­acy im Kon­text von Lear­ning Ana­ly­tics im Hoch­schul­kon­text (u.a. Ifen­tha­ler, 2020)15

21st Cen­tu­ry Skills und Future Skills 
Gera­de für Stu­die­ren­de wer­den Kom­pe­ten­zen, die über kon­kre­te digi­ta­le Anwen­dun­gen hin­aus­ge­hen und all­ge­mein unter dem Schlag­wort der 21st Cen­tu­ry Skills (u.a. 21st-cen­tu­ry lear­ning16 ähn­lich wie man frü­her von Schlüs­sel­kom­pe­ten­zen sprach) gebün­delt sind, als wich­tig erach­tet, wenn­gleich sie aktu­ell immer vor dem Hin­ter­grund der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on und einer von Medi­en durch­drun­ge­nen und data­fi­zier­ten Lebens­welt aller gedacht werden. 

Dazu zäh­len die soge­nann­ten 4C oder 4K (Fadel et al., 2017)17 wie Krea­ti­vi­tät, kri­ti­sches Den­ken, Kom­mu­ni­ka­ti­on und Kol­la­bo­ra­ti­on oder soge­nann­te Zukunfts­kom­pe­ten­zen oder future skills18 , die in eine ähn­li­che Rich­tung gehen und die Per­spek­ti­ve noch­mals um wei­te­re Kom­pe­ten­zen wie Entre­pre­neur­ship, Selbst­be­stim­mung oder Ent­schei­dungs­fä­hig­keit erwei­tern kön­nen (u.a. Ehlers, 2020)19 . Seit eini­gen Jah­ren wird viel über die­se Kom­pe­tenz­fel­der geschrie­ben und gespro­chen und vor allem über­legt, wie und wo sich die­se, über ein­zel­ne Leh­ren­de oder Stu­di­en­gän­ge hin­aus, die das bereits exem­pla­risch und vor­bild­haft für sich über­nom­men haben, sys­te­ma­tisch in die Hoch­schul­leh­re inte­grie­ren las­sen. So selbst­ver­ständ­lich und nütz­lich sich nun die­se Kom­pe­ten­zen lesen, so kri­tisch wer­den sie zugleich auch dahin­ge­hend erör­tert, inwie­fern Inter­es­sen des aka­de­mi­schen Ler­nens oder Inter­es­sen von außen, wie bei­spiels­wei­se Unter­neh­men bei der Bestim­mung des­sen, was der­zeit rele­vant ist, über­wie­gen. Und so ste­hen sich hier neben Fach­lich­keit und Über­fach­lich­keit auch ver­schie­de­ne Inter­es­sen gegenüber. 

Inte­gra­ti­on 
Unbe­nom­men des­sen, liegt die Her­aus­for­de­rung für über­fach­li­che Kom­pe­ten­zen immer noch in der sys­te­ma­ti­schen und ver­pflich­ten­den Imple­men­tie­rung sol­cher Ange­bo­te in den Lern­an­ge­bo­ten der Hoch­schu­len – und zwar in einer Art und Wei­se, die den Stu­die­ren­den auch ver­deut­licht, dass hier eine hohe Rele­vanz für die Inhal­te gese­hen wird und kein optio­na­les Pro­gramm, dass die Fach­in­hal­te mög­lichst nicht aus dem Takt brin­gen sol­le. Je nach Hoch­schul­pro­fil gehört inso­fern ein Stu­di­um Gene­ra­le oder ein sinn­ge­mä­ßes Stu­di­en­an­ge­bot mit ande­rer Bezeich­nung seit Jah­ren zum Stan­dard oder es wird noch um den Ort, die Tak­tung und den Anteil am Gesamt­stu­di­um gerun­gen. Dass über­fach­li­che Stu­di­en­an­ge­bo­te heu­te noch als Pro­fi­lie­rungs­merk­mal für Hoch­schu­len zäh­len, sagt dabei viel über den Stand der Dis­kus­si­on ins­ge­samt aus und zeigt auf, dass für eine ent­spre­chen­de Ange­bots­ent­wick­lung in der Leh­re noch Bedar­fe vor­lie­gen. Ein sou­ve­rä­nes ‚sowohl als auch‘ von (Fach-)Wissenschaft, Per­sön­lich­keits­bil­dung und Arbeits­markt­vor­be­rei­tung unter Ein­be­zug aller Inter­es­sen kann hier ziel­füh­rend sein. 

21st Cen­tu­ry Skills und Bil­dung 
Die­se Bei­spie­le der Hoch­schul­bil­dung las­sen sich auch auf ande­re Bil­dungs­be­rei­che über­tra­gen, da die genann­ten Kom­pe­ten­zen für alle Bürger_innen rele­vant sind, die bis­her nicht die Gele­gen­heit hat­ten, die­se zu erwer­ben oder die­se fort­lau­fend ver­bes­sern möchten. 

Neben einer prag­ma­ti­schen Sicht auf das, was für das Bestehen im All­tag und in Unter­neh­men bzw. im beruf­li­chen Feld rele­vant ist, wer­den aus Per­spek­ti­ve von 21st Cen­tu­ry Skills und wei­te­rer zukunfts­ori­en­tier­ter Ansät­ze immer auch ihr jewei­li­ger Anteil an der Per­sön­lich­keits­bil­dung ver­schie­de­ner Akteur_innen mit in den Blick genom­men. So steckt bei­spiels­wei­se in den 21st Cen­tu­ry Skills auch viel vom Anspruch an Bil­dung, wie er sich bei Klaf­ki fin­det, wenn hier ganz zen­tral auf Basis von Ver­nunft die Befä­hi­gung zur Selbst­be­stim­mung der Ler­nen­den im Fokus steht. Kri­ti­sches Den­ken und Kol­la­bo­ra­ti­on wie auch Kom­mu­ni­ka­ti­on sind hier­bei sol­che Fel­der, die dazu bei­tra­gen sol­len, eigen­stän­dig und mora­lisch zu den­ken und hand­lungs­fä­hig zu sein, (gesell­schaft­lich) rele­van­te Pro­ble­me auch mit neu­en Ansät­zen ange­hen zu kön­nen und sich nicht nur bis­he­ri­gen Vor­ga­ben unter­zu­ord­nen (Fremd­be­stim­mung). Eigen­tä­tig­keit oder Selbst­tä­tig­keit ist die Form von Ler­nen, Leh­ren oder all­ge­mein der Ermög­li­chung von Bil­dung, die Klaf­ki hier­für her­aus­stellt. Man kann auch sagen, selbst krea­tiv zu sein, selbst aus Feh­lern zu ler­nen und damit Ver­ant­wor­tung für das eige­ne Han­deln und sei­ne Fol­gen zu über­neh­men, das kenn­zeich­net wesent­lich Bil­dung. In die­sem Zusam­men­hang kommt neben indi­vi­du­el­lem Han­deln auch den Bezie­hun­gen beim gemein­sa­men Han­deln eine impuls­ge­ben­de Bedeu­tung zu, wie sie im Rah­men der Zusam­men­ar­beit von Koope­ra­ti­on und Kol­la­bo­ra­ti­on wahr­schein­li­cher sind. 

Inso­fern sind die neu­en zukunfts­fä­hi­gen Kom­pe­ten­zen gar nicht so neu, wenn­gleich heu­te deut­li­che­re Ansprü­che und Inter­es­sen signa­li­siert wer­den, was bei­spiels­wei­se Unter­neh­men von Hochschulabsolvent_innen erwar­ten. Doch je nach Per­spek­ti­ve und Umset­zungs­in­ten­si­tät von Zukunfts­kom­pe­ten­zen oder future skills oder 21st Cen­tu­ry Skills mit ihren 4C fin­den sich die Kern­ideen von Bil­dung, die sich nach Klaf­ki (2007)1 in Selbst­be­stim­mungs- und Mit­be­stim­mungs­fä­hig­keit sowie Soli­da­ri­täts­fä­hig­keit nie­der­schla­gen, auch hier wieder. 

Gera­de in Bezug auf unser gesell­schaft­lich, demo­kra­tisch gepräg­tes Zusam­men­le­ben kom­men mit Blick auf die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung im Zuge der digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on Aspek­ten wie Diver­si­tät und Soli­da­ri­täts­fä­hig­keit noch­mals eine enor­me Bedeu­tung zu. Und die­se Ver­ant­wor­tung haben wir für die nächste(n) Generation(en) – ihnen den Rah­men für Bil­dung zu ermög­li­chen, der sie mit den Unge­wiss­hei­ten und Her­aus­for­de­run­gen in der gesell­schaft­li­chen, digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on sou­ve­rän umge­hen lässt und klu­ge, nach­hal­ti­ge und neue Ideen für eine Ver­schie­bung im Arbeits­markt oder neu­en For­men von (lebens­lan­gem) Ler­nen mit­den­ken und ent­wi­ckeln lässt. Bil­dung matters!

Agile Educational Leadership im Bildungsbereich

Wo und wie wir Bil­dung bewusst oder eher bei­läu­fig wahr­neh­men, hängt ganz davon ab, in wel­chem Bil­dungs­kon­text wir uns befin­den. Das heißt, ob wir uns in einem eher infor­mel­len Bil­dungs­kon­text (bei­spiels­wei­se einem Muse­um oder einer vir­tu­el­len Com­mu­ni­ty) oder eher im non-for­ma­len (bei­spiels­wei­se einer Volks­hoch­schu­le oder einem frei zugäng­li­chen Online-Selbst­lern­kurs) oder for­ma­len Bil­dungs­be­reich (bei­spiels­wei­se einer Schu­le oder vir­tu­el­len Mas­ter­stu­di­en­gang) bewe­gen. Der for­ma­le oder insti­tu­tio­nel­le Bil­dungs­kon­text, der hier beson­ders im Fokus steht, zeich­net sich bis heu­te dadurch aus, dass hier insti­tu­tio­na­li­sier­te Lern­an­ge­bo­te in struk­tu­rier­ter Wei­se ent­lang von Rah­men­vor­ga­ben und mit der Mög­lich­keit von Nach­wei­sen in Form von Zer­ti­fi­zie­run­gen oder Zeug­nis­sen ange­bo­ten werden. 

Bil­dungs­kon­text Hoch­schu­le 
Hin­ter Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship steht die kon­zep­tio­nel­le und prak­ti­sche Idee, ins­be­son­de­re Wer­te und Prak­ti­ken aus dem Kon­text von Agi­le Lea­der­ship hin­sicht­lich ihrer Adap­tier­bar­keit für die unter­schied­li­chen Bil­dungs­kon­tex­te – allen vor­an aber im for­ma­len oder insti­tu­tio­na­li­sier­ten Bil­dungs­kon­text und hier exem­pla­risch für die Hoch­schul­bil­dung – kri­tisch wie kon­struk­tiv zu betrachten. 

Eine Grund­an­nah­me ist, dass ein Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship von den ein­zel­nen Akteur_innen im Bil­dungs­be­reich über­nom­men wer­den kann und zwar über alle Bil­dungs­be­rei­che hin­weg, ange­fan­gen von der früh­kind­li­chen Bil­dung über Arbeit mit Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen bis hin zu Senior_innen, wie im gesam­ten schu­li­schen und ter­tiä­ren Bereich, ein­schließ­lich der Wei­ter­bil­dung und einer Per­spek­ti­ve von Lebens­lan­gem Ler­nen. Auch der Hoch­schul­bil­dungs­be­reich kann hier ein­ge­reiht werden. 

Im Hoch­schul­be­reich zählt im Anschluss an die beschrie­be­ne Bolognare­form bis heu­te als beson­de­re Her­aus­for­de­rung in der Ent­wick­lung von Leh­re und damit Bil­dungs­an­ge­bo­ten, dass für die Leh­ren­den an Hoch­schu­len Erfol­ge in der Leh­re weni­ger Repu­ta­ti­on mit sich brin­gen als sol­che in der For­schung. Ent­spre­chend stellt auch das Enga­ge­ment für die Ver­bes­se­rung von Leh­re und Stu­di­um und Ermög­li­chung zeit­ge­mä­ßer Bil­dung immer auch eine per­sön­li­che Abwä­gung beson­ders inter­es­sier­ter Lehrende_r dar. So fin­det Enga­ge­ment für die Leh­re eher auf der Mikroebe­ne von kon­kre­ten Lehr­ver­an­stal­tun­gen oder der Meso­ebe­ne der Stu­di­en­gangs- und Pro­gramm­pla­nung statt. Auf der Makro­ebe­ne wer­den ähn­li­che Abwä­gun­gen zwi­schen Leh­re und For­schung vorgenommen. 

Gren­zen der Adap­ti­on 
Der Bil­dungs­be­reich ist in sei­ner Aus­dif­fe­ren­zie­rung, in sei­nen Struk­tu­ren und auch in Bezug auf die agie­ren­den Akteur_innen ein beson­de­rer Rah­men. Es wird schnell deut­lich, dass sich bei­spiels­wei­se Ansät­ze aus der Manage­ment­leh­re und Unter­neh­mens­füh­rung sowie Pro­jekt­ent­wick­lung nicht beden­ken­los auf wei­te­re nicht-unter­neh­mens­be­zo­ge­ne Kon­tex­te anwen­den las­sen. Genau des­halb ist das Edu­ca­tio­nal in dem hier zugrund­lie­gen­den Ansatz eines Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship von zen­tra­ler Bedeu­tung. Für eine im wahrs­ten Sin­ne pas­sen­de Adap­ti­on sowie die Ent­wick­lung eige­ner kon­text­be­zo­ge­ner agi­ler Prak­ti­ken im Bil­dungs­be­reich gilt es dem­nach die­se Beson­der­hei­ten zu berücksichtigen. 

Hier­bei ergibt sich bereits die ers­te Grat­wan­de­rung: Denn es braucht eine gute Balan­ce für die­se Adap­ti­ons­per­spek­ti­ve, um den bestehen­den Struk­tu­ren im Bil­dungs­be­reich einer­seits Rech­nung zu tra­gen, damit Anknüp­fungs­punk­te sicht­bar wer­den und genutzt wer­den kön­nen. Ande­rer­seits braucht es auch die Offen­heit dafür, die Ent­wick­lung und Umset­zung neu­er Prak­ti­ken zuzu­las­sen. Es geht also um ein ‚sowohl als auch‘. 

Ansatz­punkt Akteur_innen 
An der Stel­le des ‚sowohl als auch‘ setzt Agi­le Edu­ca­tio­nal Lea­der­ship, dass sowohl mit einer Hal­tung als auch einer Kom­pe­tenz ein­her­geht, die nicht klas­sisch an eine Posi­ti­on auf Füh­rungs­ebe­ne gebun­den ist, an. Viel­mehr kann der Lea­der­ship-Gedan­ke von jede_r Akteur_in in der jewei­li­gen Bil­dungs­or­ga­ni­sa­ti­on mit­ge­tra­gen und im gemein­sa­men Tun mit­ein­ge­bracht wer­den. Das heißt, jede_r kann für den eige­nen Bereich ein_e Agi­le Edu­ca­tio­nal Leader_in sein.

Letz­te Aktua­li­sie­rung am 19.03.2021 (Chan­ge­log)

 
  1. Klaf­ki, W. (2007). Neue Stu­di­en zur Bil­dungs­theo­rie und Didak­tik. Zeit­ge­mä­ße All­ge­mein­bil­dung und kri­tisch-kon­struk­ti­ve Didak­tik. (6. Aufl.). Wein­heim und Basel: Beltz. [] [] []
  2. Bild­li­zenz: https://de.freepik.com/psd/mockup”>Mockup PSD erstellt von Vec­to­ri­um — de.freepik.com; Buch-Cover by Kers­tin Mayr­ber­ger, Lizenz CC BY 4.0 []
  3. https://en.wikipedia.org/wiki/Bildung, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  4. https://www.bmbf.de/de/der-studierendensurvey-1036.html, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  5. https://www.die-studierendenbefragung.de, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  6. Eickel­mann, B., Bos, W., Gerick, J., Gold­ham­mer, F., Schaum­burg, H., Schwip­pert, K., Senk­beil, M. & Vah­ren­hold, J. (Hrsg.) (2019). ICILS 2018 #Deutsch­land Com­pu­ter- und infor­ma­ti­ons­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen von Schü­le­rin­nen und Schü­lern im zwei­ten inter­na­tio­na­len Ver­gleich und Kom­pe­ten­zen im Bereich Com­pu­ta­tio­nal Thin­king. Müns­ter: Wax­mann. Abge­ru­fen am 16.03.2021, von https://www.waxmann.com/?eID=texte&pdf=4000Volltext.pdf&typ=zusatztext []
  7. https://sdgs.un.org/goals, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  8. https://www.eda.admin.ch/agenda2030/de/home/agenda-2030/die-17-ziele-fuer-eine-nachhaltige-entwicklung/ziel-4-inklusive-gleichberechtigte-und-hochwertige-bildung.html, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  9. https://www.unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030/bildung-und-die-sdgs, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  10. https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/europa/299805/hochschulabschluss, abge­ru­fen am 31.03.2021 sowie https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1099110/umfrage/bevoelkerungsanteil-in-den-eu-laendern-mit-hochschulabschluss/, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  11. Wis­sen­schafts­rat (2015). Emp­feh­lun­gen zum Ver­hält­nis von Hoch­schul­bil­dung und Arbeits­markt. Bie­le­feld. Abge­ru­fen am 16.03.2021, von www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4925 – 15.pdf []
  12. Kon­fe­renz der Kul­tus­mi­nis­ter der Län­der in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. (2017). Stra­te­gie „Bil­dung in der digi­ta­len Welt“ (Beschluss der KMK vom 08.12.2016 i.d.F. vom 07.12.2017). Ber­lin. Abge­ru­fen am 16.03.2021, von www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2018/Digitalstrategie_2017_mit_Weiterbildung.pdf []
  13. Dig­Comp 2.1; https://ec.europa.eu/jrc/en/publication/eur-scientific-and-technical-research-reports/digcomp-21-digital-competence-framework-citizens-eight-proficiency-levels-and-examples-use, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  14. Schül­ler, K., Busch, P., & Hin­din­ger, C. (2019). Future Skills: Ein Frame­work für Data Liter­acy – Kom­pe­tenz­rah­men und For­schungs­be­richt. Arbeits­pa­pier Nr. 47. Ber­lin: Hoch­schul­fo­rum Digi­ta­li­sie­rung. https://doi.org/10.5281/zenodo.3349865) ) von allen Akteur_innen eine zen­tra­le Bedeu­tung zu. Für bei­de Per­spek­ti­ven, all­ge­mei­ner medi­en­be­zo­ge­ner Kom­pe­ten­zen sowie Daten­kom­pe­ten­zen, wer­den auf die jeweils per­sön­li­chen Kom­pe­ten­zen auf­bau­end für Leh­ren­de oder all­ge­mei­ner im Edu­ca­ti­on-Bereich täti­ge Akteur_innen noch­mals geson­der­te Edu-Kom­pe­ten­zen benannt, wie im Euro­pean Frame­work for the Digi­tal Com­pe­tence of Edu­ca­tors, dem Dig­Com­pE­du (Rede­cker, 2017) ((Rede­cker, C. (2017). Euro­pean Frame­work for the Digi­tal Com­pe­tence of Edu­ca­tors: Dig­Com­pE­du. In E. Punie (Hrsg.), EUR2877S EN. Luxem­burg: Publi­ca­ti­ons Of- fice of the Euro­pean Uni­on. Abge­ru­fen am 31.03.2021, von http://publications.jrc.ec.europa.eu/reposi- tory/handle/JRC107466 []
  15. Ifen­tha­ler, D. (2020). Lear­ning Ana­ly­tics im Hoch­schul­kon­text – Poten­zia­le aus Sicht von Stake­hol­dern, Daten­schutz und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen. In R. A. Fürst (Hrsg.), Digi­ta­le Bil­dung und Künst­li­che Intel­li­genz in Deutsch­land. Nach­hal­ti­ge Wett­be­werbs­fä­hig­keit und Zukunfts­agen­da (S. 519 – 535). Wies­ba­den: Sprin­ger []
  16. http://www.oecd.org/general/thecasefor21st-centurylearning.htm, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  17. Fadel, C., Bia­lik, M. & Tri­ling, B. (2017). Die vier Dimen­sio­nen der Bil­dung. Was Schü­le­rin­nen und Schü­ler im 21. Jahr­hun­dert ler­nen müs­sen. Ham­burg: Ver­lag ZLL21 e.V []
  18. sie­he u.a. https://www.future-skills.net/, abge­ru­fen am 31.03.2021 []
  19. Ehlers, U.-D. (2020). Future Skills. Wies­ba­den: Sprin­ger VS []
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